Serie

Ibizas Dunkelmänner als schräge Lichtgestalten

Die Ibiza-Affaere - S1
Die Ibiza-Affaere - S1Sky Deutschland
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„Die Ibiza Affäre“ mischt Fakten und Fiktion und erzählt aus Sicht der Fallensteller – brillant gespielt, furios gedreht und zuweilen etwas fragwürdig.

Kokain? Falsche Papiere? Aber nein, doch nicht deshalb stand Julian Hessenthaler vor Kurzem in St. Pölten vor Gericht – der Mann, der Strache in die balearische Falle gelockt und die türkis-blaue Koalition gesprengt hat. Sein Anwalt ist überzeugt: Man will seinen Mandanten mundtot machen. Hart gehe es da draußen zu, „dagegen ist jede Netflix-Serie eine ,Sendung mit der Maus‘“. Ab heute kriegt man „Die Ibiza Affäre“ erstmals fiktional zu sehen, nicht auf Netflix, aber auf Sky. Die vierteilige Miniserie lässt an Rauheit und Rasanz wenig Wünsche offen – und hat doch etwas von der „Sendung mit der Maus“.

Das Drehbuch fußt auf dem Sachbuch der „Süddeutsche“-Journalisten, die den Skandal publik machten. Aus ihrer Sicht wurde er schon in der Doku „Hinter den Schlagzeilen“ erzählt. Was der „Tatort“-erprobte Regisseur Christopher Schier und seine Autoren versuchen, ist mutiger und heikler. Sie rücken die mutmaßlichen Drahtzieher ins Rampenlicht, wählen die Perspektive des Detektivs Hessenthaler und des Wiener Anwalts Ramin Mirfakhrai.

Wie ging das Duo vor? Wie edel oder niedrig waren seine Motive? Nur damit lässt sich noch Neugier befriedigen und Spannung schüren. Was die besoffenen FPÖ-Politiker auf der Finca schwadronierten, wissen wir ja vom Livemitschnitt – weshalb Teil drei, der es präzise nachstellt, der Durchhänger der Serie ist. Dennoch sind die „Act-Alike“-Leistungen zu rühmen: Julian Looman spielt Johann Gudenus in der authentischen Balance von Größenwahn und kindlicher Unsicherheit. Andreas Lust als Strache hat dessen Gehabe und Sprache drauf. Beide umschiffen die Klippen billiger Karikatur und falscher Empathie. Die Handlung spannt sich von 2012 bis 2020, sie springt hin und her, was weniger verwirrt als erhellt: Wer etwas nicht versteht, kriegt es alsbald von den Journalisten erklärt, die das Puzzle zusammensetzen. Ein eleganter Kunstgriff, anders als die eher plumpen Erklärungen, die man Hessenthaler in den Mund legt.

Wo die Realität in den Irrsinn kippt

Als dritte, schalkhafte Verständnishilfe dienen assoziative Szenen: Wenn Gudenus in die Falle tappt, beißt ein Fisch an; die Vergabe der Ministerposten wird mit einer weihnachtlichen Bescherung illustriert; und auch Zeichentrick à la – genau – „Sendung mit der Maus“ kommt zum Einsatz. Zu verspielt? Die kleinen Szenen streut Schier dort ein, wo einst die Realität endgültig in den Irrsinn kippte. Lob auch für Kameramann Thomas Kiennast, der die Partyszenen so furios zelebriert, dass man versucht ist, zum Tanzen auf den Tisch zu springen.

Zwangsläufig problematisch wird es bei den beiden Hauptfiguren. Nein, sie sind keine Supermänner, sie machen ungeschickte Fehler, und am Ende zählen sie zu den Verlierern, der Realität gemäß. Aber das Drehbuch wirkt doch wie eine allzu geschickte Verteidigungsschrift. David Hamade darf Mirfakhrai als braven und properen Anwalt spielen. Zufällig gerät er an belastendes Material (die Fotos der Geldtaschen in Straches Kofferraum). Allein die Angst seiner Familie, von der FPÖ aus Österreich vertrieben zu werden, motiviert sein Tun. Nur um seinen Informanten (Straches Chauffeur) zur Aussage zu bewegen, fordert er anfangs Millionen fürs Video. Er selbst finanziert dessen Herstellung durch den zwielichtigeren Hessenthaler, den Nicholas Ofczarek pastos als derben Wiener Strizzi porträtiert. Aber es bleibt gnädig offen, ob es dem großmäuligen Rüpel um den Reibach oder ums Abenteuer geht. Oder gar auch ihm – harte Schale, weicher Kern – um die Moral? Fast wird es suggeriert, wenn er gegen Ende in einen Verfolgungswahn schlittert und nur noch unser Mitleid erregt. Ein Held von der traurigen Gestalt. Aber eben doch ein Held.

„Die Ibiza Affäre": 4 Folgen, zu sehen auf Sky.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2021)

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