Literatur

Jugendbuch-Tipp: Ein Zugang zur NS-Zeit, schmerzlich und hoffnungsvoll

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Mit schlichten, klaren Sätzen erzählt Kirsten Boie von den letzten Kriegstagen in einer bayerischen Stadt - und von einer blutigen Nacht.

"'Sie sagen, die Amerikaner sind vielleicht schon morgen da!', sagt das Mädchen. So wie sie ihn ansieht, würde sie vielleicht lieber die Frage stellen, die in der Luft hängt, seit die beiden hier eben fast aufeinandergeprallt wären. Magst du mich? Aber das fragt man nicht. Ein anständiges deutsches Mädel schon gar nicht."

Es sind vor allem ein Bursch und ein Mädel, Marie und Schorsch, die der Leser durch „Dunkelnacht“ begleitet. Und damit auch deren Familien, Nachbarn, Bekannte. Mit schlichten, klaren Sätzen zeichnet Kirsten Boie das Porträt einer kleinen bayerischen Stadt, Penzberg. Es sind die letzten Kriegstage, in denen sich noch Gräueltaten ereignen, eine Blutnacht. Denn zu früh versucht eine Gruppe von Menschen, den Nazis die Macht zu nehmen und wichtige Infrastruktur zu erhalten.

Es ist eine sehr schmerzliche und dennoch hofnungsvolle Novelle, die Kirsten Boie hier erzählt. Die Hamburgerin, vor allem durch entzückende Geschichten für Volksschulkinder bekannt, ihren "Ritter Trenk" etwa oder allerlei Geschichten über die "Kinder aus dem Möwenweg“, stellt die zentrale Frage der Kriegsliteratur: Wozu sind ganz und gar durchschnittliche Menschen - im Guten wie im Schlechten - fähig? Und was ist mit jenen, die zwischen allen Fronten stehen, in diesem Fall die Jugendlichen Marie und Schorsch? Ein packendes und eindrückliches schmales Büchlein, das sehr viel mit sehr wenigen Worten sagt.

Die Taten sind übrigens belegt, nur die Geschichte der Jugendlichen ist erfunden. Boie hat Äußerungen des historischen Personals teils wörtlich aus den Quellen übernommen. Was den Text auch zu einem idealen Zugang zur NS-Zeit macht. Am Ende stehen sechzehn Ermordete und kein einziger Mörder. Und jedenfalls viel Raum für Diskussionen.

Kirsten Boie: "Dunkelnacht". Novelle. 112 Seiten, Oetinger Verlag, € 13. Alter: Ab 15 Jahren. (Oetinger Verlag)

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