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Wiener Büromarkt: Gedämpfte Aufbruchstimmung

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Im dritten Quartal hat die Vermietungsleistung wieder angezogen, von den Werten der Vorjahre ist man aber noch weit entfernt. Trotzdem ist der Optimismus zurück.

Einige hatten das Büro nach der langen Home-Office-Zeit schon abgeschrieben, da setzte einer der weltgrößten Tech-Konzerne einen Kontrapunkt: Um 2,1 Milliarden Dollar erwarb der Tech-Gigant Google am St. John's Terminal in New York kürzlich ein Bürogebäude, das zum Herzstück eines Gebäudekomplexes des Konzerns im Südwesten Manhattans ausgebaut werden soll. Ein Deal mit Signalwirkung, der klar macht: Für einen Abgesang ist es noch viel zu früh.

Ein Lebenszeichen

Das zeigt sich nun auch auf dem Wiener Büromarkt, der nach dem deutlichen Dämpfer im ersten Halbjahr erstmals wieder ein positives Lebenszeichen gibt. Laut Vienna Research Forum (VRF) belief sich die Vermietungsleistung im dritten Quartal auf rund 29.000 Quadratmeter – das ist fast doppelt so viel wie im zweiten Quartal 2021, das mit gerade einmal 15.000 Quadratmeter neu vermieteter Fläche einen Negativrekord der vergangenen fünf Jahre aufgestellt hatte. Klar ist aber auch: Im Vergleich zum Vorjahresquartal steht bei der Vermietungsleistung unterm Strich immer noch ein dickes Minus von 67 Prozent. Der aktuelle Anstieg der Vermietungen zeige die steigende Bereitschaft von Büronutzern für eine Veränderung ihrer Standorte, meint Steven Bill Scheffler, Teamleiter Bürovermietungen bei Otto Immobilien. Dass von einer echten „Aufbruchstimmung“ noch nicht die Rede sein kann, führt er auf die längeren Entscheidungsprozesse zurück: „Für viele Unternehmen hat jetzt die Evaluierung der Büroflächensituation hohe Priorität, jedoch sind die Prüfungen des nachhaltigen Flächenbedarfs sowie die Anforderungskriterien an ein neues Büro umfangreicher geworden“, betont der Experte. Meist scheitere die Konkretisierung einer Übersiedelung am Fehlen eines „perfekten“ Standorts. „Daher entscheiden sich Nutzer manchmal gegen eine Veränderung und arrangieren sich in ihrer Bestandsimmobilie“, weiß Scheffler. „Oder sie melden frühzeitig Interesse für künftige Projekte an, die erst in einigen Monaten oder gar Jahren verfügbar sein werden.“

Tatsächlich hätten sich die Zielsetzungen, die Unternehmen mit einem Standortwechsel verfolgen, zuletzt deutlich verändert, berichtet das Beratungsunternehmen EHL anlässlich eines Updates zum Wiener Büromarkt. Ein zentrales Anliegen sei es dabei, die Arbeitsumgebung attraktiver zu gestalten, um die Mitarbeiter zu motivieren, trotz der Möglichkeit von Home-Office mehr Zeit im Büro zu verbringen. Stefan Wernhart, Geschäftsführer von EHL Gewerbeimmobilien, spricht in diesem Zusammenhang von einer „regelrechten Qualitätsoffensive“: „Wenn sich durch einen stark gestiegenen Home-Office-Anteil Möglichkeiten eröffnen, Büroarbeitsplätze zu reduzieren, wird das in den meisten Fällen nicht zur Kostensenkung genutzt, sondern es werden großzügige Allgemeinbereiche geschaffen und generell höherwertige Flächen gesucht.“

Dieser Trend blieb auch dem Immobiliendienstleister CBRE nicht verborgen: „Wir gehen davon aus, dass wir uns im größten Transformationsprozess in der Arbeitswelt der letzten Jahrzehnte befinden“, gibt sich Andreas Ridder, Managing Director CBRE Österreich & CEE überzeugt. „Das hat auch Auswirkungen auf den Büromarkt, denn Unternehmen stellen ganz andere Anforderungen an Flächen, um den Ansprüchen der Mitarbeiter gerecht zu werden.“

Wenig neue Flächen

Wobei sich der Wiener Büromarkt zunehmend schwerer tut, diese Bedürfnisse zu befriedigen. So fällt die Neuflächenproduktion mit prognostizierten 73.000 Quadratmetern heuer etwa nochmal deutlich geringer aus als im vergangenen Jahr (125.000 m2) und auch für 2022 und 2023 präsentiert sich die Projektpipeline mit 130.000 beziehungsweise 116.000 Quadratmetern eher bescheiden. Gleichzeitig sinkt die Leerstandsrate, die sich mit aktuell 4,1 Prozent auf einem im internationalen Vergleich relativ niedrigen Niveau befindet.

Ein besonders hohes Mieterinteresse registriert EHL derzeit für die Wiener Innenstadt und daran angrenzende Lagen, die Region rund um den Hauptbahnhof, das Areal rund um den Praterstern und den Wienerberg. In diesen Gegenden registriert man bei EHL in jüngerer Zeit auch einen Trend zu Refurbishments, deren Anteil an der Neuflächenproduktion grundsätzlich im Steigen begriffen ist. Das liege, erläutert Wernhard, einerseits an den eingeschränkten Freiflächen an diesen Standorten, „andererseits entspricht es aber auch dem Megatrend zu mehr Nachhaltigkeit, da Refurbishments unter anderem zu keiner zusätzlichen Bodenversiegelung führen.“

Ausweichstrategien

Insbesondere Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien sowie Beratungsunternehmen seien derzeit verstärkt auf der Suche nach neuen Standorten, berichtet der Experte weiter, „traditionellerweise meist im Bereich der Wiener Innenstadt. Dort trifft die hohe Nachfrage auf ein überschaubares Flächenangebot, weshalb einige größere Standortsuchen bisher nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnten“.

Da das Gros der Flächen außerhalb der zentralen Lagen liege, müssten sich vor allem Großnutzer neu orientieren, ergänzt Scheffler von Otto Immobilien: „Viele weichen auf hochwertige Quartiersentwicklungen aus, die einen Mix aus unterschiedlichsten Nutzungsmöglichkeiten und Services bieten.“ Diese Quartiere würden in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen und einen steigenden Zuzug verzeichnen.

AUF EINEN BLICK

Insgesamt summiert sich in den ersten drei Quartalen 2021 die Vermietungsleistung moderner Büroflächen nach VRF-Standard in Wien auf etwa 81.550 Quadratmeter. EHL, das auch ältere Flächen berücksichtig, kommt auf 105.000 Quadratmeter. Laut Vienna Research Forum (VRF) lag der Gesamtbestand an modernen Büroflächen in Wien mit Ende des 3. Quartals 2021 bei knapp sechs Mio. Quadratmetern. EHL rechnet in diesem Jahr mit einer Neuflächenproduktion von 73.000 m2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2021)

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