Auszeichnung

„Das i-Tüpfelchen auf meiner Arbeit“

Vom Lehrling zur weltweit gefragten Zement-Expertin: Cornelia Bauer.
Vom Lehrling zur weltweit gefragten Zement-Expertin: Cornelia Bauer. ACR/Alice Schnür-Wala
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Der diesjährige Woman-Award der ACR ging an Chemieingenieurin Cornelia Bauer.

Die Blume aus dem Gemeindebau“ durfte den musikalischen Auftakt zur diesjährigen Enquete der Austrian Cooperative Research (ACR) am Dienstag machen. Gar nicht so unpassend. Wurde an diesem Abend doch den Frauen in Forschung und Technik ebenfalls ein Liebeslied gesungen – fast romantisch, im Abendrot hoch über den Dächern Wiens im obersten Stockwerk der Wirtschaftskammer. Allen voran der Chemieingenieurin Cornelia Bauer, die mit dem Woman-Award der ACR ausgezeichnet wurde.

Mit der jährlichen Preisvergabe will die ACR Innovation in kleinen und mittleren Unternehmen sichtbar machen (siehe Infobox). Das Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk, dem 17 gemeinnützige Institute angehören, hilft der Wirtschaft dabei, wissenschaftliche Erkenntnisse für den Markt umzuwandeln. Jeder Euro, der hier in Forschung investiert wird, lande bei mindestens ein bis drei Produkten, betonte ACR-Präsidentin Iris Filzwieser.

„Du bist die Blume aus dem Gemeindebau, ohne dich wär' dieser Bau so grau“, hieß es also an diesem Abend. Grau ist Bauers Arbeit jedoch ebenso wenig wie ihre Biografie, auf ihren Werkstoff allerdings trifft das zu. Seit vier Jahren widmet sie sich am ACR-Institut VÖZ (Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie) der Zementchemie. Ihr Forschungsfokus liegt auf der Qualitätssicherung und der Weiterentwicklung von Zement. Den Woman-Award erhielt die erfahrene Praktikerin mit 25-jähriger Expertise für die Weiterentwicklung von Spritzbeton.

Ein „super Leben“

In die Branche stieg die gebürtige Burgenländerin schon früh ein. Die Karriere, die sie hinlegte, ließ sich damals aber noch nicht erahnen, als sie dem Gymnasium nach der sechsten Klasse den Rücken zuwandte und eine Lehre als Chemielaborantin im Lafarge-Zementwerk Mannersdorf begann. „Na, das kann es wohl nicht gewesen sein, diesen Job, auch wenn es ein schöner ist, bis zur Pension weiterzumachen“, habe sie sich nach ihrem Lehrabschluss gedacht. Und so hantelte sich Bauer Stück für Stück weiter: Sie machte die Werkmeisterprüfung für Chemie und Umwelttechnik, holte die allgemeine Matura nach, dann die Fachmatura an einer HTL. Schließlich schloss sie das Studium Chemieingenieurswesen an der Fresenius-Hochschule im hessischen Idstein (Deutschland) ab. Alles berufsbegleitend.

Es folgte das, was Bauer ein „super Leben“ nennt. Sie war unterwegs in Osteuropa, Ägypten, Marokko, Simbabwe, Kanada und Indien. In den verschiedenen Ländern richtete sie Labors für Zementchemie auf neuestem Stand der Technik ein, führte Sicherheitsaudits durch und beriet die großen Zementhersteller der Welt ebenso wie die Unido, die UN-Organisation für industrielle Entwicklung. 2017 wechselte sie schlussendlich zur VÖZ. In den vergangenen zwei Jahren forschte sie hier – im Rahmen jenes Projektes, für das sie nun ausgezeichnet wurde – mit dem Team von Smart Minerals unter anderem an der Optimierung eines Spritzbetonbinders.

„Flüssiger Spritzbeton wird bei steilen Hängen und in Tunnelbauten eingesetzt, um das Gestein zu stabilisieren. Er wird schnell fest und hält das Gefüge“, erklärt Bauer. Sie verbessert durch eine bestimmte Kombination von regional verfügbaren Inhaltsstoffen – gemahlener Kalkstein, Zement, Sand, gröberes Gestein – diese Frühfestigkeit und reduziert darüber hinaus das sogenannte Versinterungspotenzial. Bauer: „Das Wasser aus dem Berg drückt gegen die Tunnelwand und fließt durch den Spritzbeton hindurch. Dadurch entstehen im Entwässerungssystem allmählich Ablagerungen, Sinter.“ Diese Verkalkungen können problematisch werden, wenn sie die Abflüsse verstopfen. Die Folge sind tagelange Sperren des Verkehrsweges.

Klima-Sorgenkind Zement

Die ACR-Auszeichnung ist für die Chemieingenieurin das „i-Tüpfelchen“ auf ihrer bisherigen Arbeit. Eine der größten Herausforderungen ihrer Karriere liegt vermutlich noch vor ihr: ein klimaneutraler Zement. Ob das bis 2050, wie politisch anvisiert, realistisch ist? „Ja“, meint sie. Vor allem der Klinkeranteil im Zement könne verringert werden. „Wir forschen bereits daran, Klinker durch neue Zumahlstoffe – wie calcinierte Tone – zu reduzieren. In unserer CO2-Roadmap geht es darum, Zement und Beton über die gesamte Wertschöpfungskette des Bauens zu dekarbonisieren.“ Ein großer Hebel. Immerhin ist die Klinkerproduktion für zwei Drittel der Treibhausgase der Branche verantwortlich.

„Die ACR-Institutsleiter sind uns lieb und wertvoll“, schloss FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth – Bauers Zementprojekt war von der Forschungsförderungsgesellschaft unterstützt worden – ihre Rede zur Verleihung des Woman-Award. „Aber das ist heute ein Abend für Frauen.“ Es sei schön, wenn ihre Leistungen vor den Vorhang geholt würden. Augenzwinkernder Nachsatz: „Wie man sieht, Frauen schaffen Tolles. Auch mit Männern im Team.“

Die Preise

Neben dem Woman-Award 2021 an Cornelia Bauer (VÖZ) wurden bei der ACR-Enquete am Dienstag auch der Start-up-Preis an V-Research und Fautech (CO2-Kompressor für Kühlanlagen und Wärmepumpen) sowie drei Innovationspreise an das AEE und Solid (Leistungen von Großsolaranlagen), an das ÖGI und die Maschinenfabrik Liezen (3-D-gedruckte Hochsicherheitsbauteile) sowie an das ZFE und Borkenstein & Borkenstein (Elektronenmikroskopie für die Augenheilkunde) verliehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2021)

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