Junge Forschung

Wenn Baustahl ermüdet

In Verkehrsinfrastruktur fließt viel Stahl. Markus Ottersböck erarbeitete Konzepte, um die Konstruktionen leichter und sicherer zu machen.
In Verkehrsinfrastruktur fließt viel Stahl. Markus Ottersböck erarbeitete Konzepte, um die Konstruktionen leichter und sicherer zu machen. Helmut Lunghammer
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Schweißverbindungen spielen im Stahlbau eine wichtige Rolle. Wie man hier auftretende Fehler besser einschätzen kann, hat Markus Ottersböck untersucht.

Harmlos ist ein Riss in einem Bauteil nicht, und sei er noch so mikroskopisch klein. Paradebeispiel ist der gebrochene Radreifen, der 1998 in der deutschen Gemeinde Eschede das bislang schwerste Zugunglück der europäischen Nachkriegszeit verursachte. Das dahintersteckende Phänomen ist Materialermüdung. Der Radreifen brach, weil ein Riss unbemerkt immer größer geworden war.

„Die Beanspruchung besteht in solchen Fällen in permanenten Schwingungen“, sagt Markus Ottersböck. „Darum sind genaue Kenntnisse der sogenannten Betriebs- oder Ermüdungsfestigkeit ein wesentliches Sicherheitskriterium im Maschinenbau.“ Sie gibt Auskunft darüber, inwieweit ein Bauteil während seiner vorgesehenen Lebensdauer dynamischer Belastung standhält. Bei Konstruktionsprozessen kommt es darauf an, Werkstoffe möglichst exakt daraufhin beurteilen zu können.

Schweißnähte verformen das Blech

Damit hat sich der 33-Jährige im Zuge seiner Dissertation an der Montan-Uni Leoben intensiv auseinandergesetzt und sein Augenmerk speziell auf geschweißte Stahlstrukturen gelegt. Hier sind die beim Verschweißen von Konstruktionselementen entstehenden Nahtstellen entscheidend. Oberflächliche Kerben oder andere Fehlstellungen an Schweißnähten müssen Ingenieure bei der Dimensionierung und Auslegung – so nennt man die auf den Zweck zugeschnittene Gestaltung der Bauteile – gesondert berücksichtigen.

Dass Schweißnähte selten perfekt sind, liegt am Vorgang des Schweißens. Das Metall schmilzt an der Naht, wird flüssig und erstarrt beim Abkühlen wieder. „Bleche können sich dadurch krümmen, Winkel und Kanten verlaufen nicht mehr in einer geraden Linie.“ Solche Abweichungen von der vorgesehenen Geometrie sind ein Nachteil.

„Aus ökologischen und ökonomischen Gründen entscheidet man sich heute oft für Leichtbau und verwendet dazu Werkstoffe, die stärker belastbar sind“, so Ottersböck. „Die Ermüdungsfestigkeit der Schweißnähte erhöht das allerdings kaum, weil sich fehlerhafte Stellen gerade bei diesen Materialien gravierender auswirken.“ In welchem Ausmaß, gelte es herauszufinden. Unter anderem hat Ottersböck ein Bewertungskonzept dafür erarbeitet und erfolgreich im Experiment getestet. „Damit lassen sich Qualitätskriterien definieren, die bestimmen, ob man eine betroffene Schweißnaht manuell nachbearbeiten muss oder nicht.“

Im Juli hat der Niederösterreicher sub auspiciis praesidentis promoviert und zählt damit zu den Top-Absolventen der Montan-Uni Leoben: In deren 117-jähriger Promotionsgeschichte ist er erst der Achte, dem diese Ehre zuteilwurde. „Das habe ich geschafft, weil mich mein gesamtes privates und berufliches Umfeld immer sehr unterstützt hat“, merkt er an. Nicht zuletzt wegen der Verbundenheit mit seiner näheren Umgebung habe er sich seinerzeit für das Studium an der Montan-Uni entschieden, obwohl es für ihn nach der HTBLA für Flugtechnik in Eisenstadt auch andere Optionen gegeben hätte. „Der Montanmaschinenbau bot mir die Möglichkeit, einmal weltweit tätig sein zu können, es aber nicht zu müssen.“

Der akademischen Wissenschaft blieb Ottersböck indes nicht erhalten: Bereits seit 2019 arbeitet er bei der EVVA Sicherheitstechnologie GmbH. „Ich wollte einen direkteren Bezug zu dem Produkt, das ich beforsche, und am Ende des Tages etwas Konkretes in den Händen halten“, erklärt er. Nun befasst er sich mit Schließzylindern, einem „unscheinbar und trivial wirkenden, aber tatsächlich hochkomplexen Fabrikat“, wie er sagt. Ein Projekt ist zum Beispiel die Weiterentwicklung eines Schließsystems mit magnetischer Codierung. „Die Herausforderung liegt hier vor allem in mehreren physikalischen Effekten, die beim Einstecken des Schlüssels zugleich auftreten, einander aber beim Sperren nicht beeinträchtigen dürfen.“

Privat werkelt der zweifache Vater gern an alten Autos und Motorrädern. Seine forschertypische Wissbegier hat er weitergegeben. „So wie ich es früher bei meinen Eltern getan habe, fragt mir mein älterer Sohn heute Löcher in den Bauch.“

Zur Person

Markus Ottersböck (33) hat nach der HTBLA für Flugzeugtechnik in Eisenstadt an der Montan-Uni Leoben Montanmaschinenbau studiert und heuer dort als Achter seit Bestehen der Institution sub auspiciis praesidentis promoviert.

Er arbeitet in der Forschung und Entwicklung des Sicherheitstechnik-Unternehmens EVVA Sicherheitstechnologie GmbH.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2021)

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