Wikileaks-Enthüllungen bringen USA in Erklärungsnot

The White House as seen from the North Lawn on Tuesday, Oct. 7, 2008, in Washington.(AP Photo/Pablo M
The White House as seen from the North Lawn on Tuesday, Oct. 7, 2008, in Washington.(AP Photo/Pablo M(c) AP (Pablo Martinez Monsivais)
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"Kriegsverbrechen" im Irak: Der britische Regierungschef ist schockiert, der Golfkooperationsrat fordert eine Untersuchung. Wikileaks-Gründer Assange fürchtet unterdessen um seine Sicherheit.

Die Enthüllungen von Dokumenten zum Irak-Krieg durch das Internetportal Wikileaks haben die USA in Erklärungsnot gebracht. Der Golfkooperationsrat forderte die Regierung in Washington laut Berichten vom Montag auf, eine Untersuchung zu möglichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuleiten. Die chinesischen Staatsmedien schrieben, die Glaubwürdigkeit der US-Regierung als Verteidigerin der Menschenrechte sei befleckt.

Die USA seien für "alle Übergriffe und Verbrechen ihrer Soldaten im Irak verantwortlich", hieß es in einer Erklärung des Generalsekretärs des Golfkooperationsrates, Abdulrahman bin Hamad el Attija. Zum Golfkooperationsrat gehören Saudi-Arabien, Bahrain, Kuwait, Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate - zumeist langjährige Partner oder Verbündete der USA.

Die Zeitung "China Daily" zog die Glaubwürdigkeit der US-Regierung als Verteidigerin der Menschenrechte in Zweifel. "Das Ausmaß der Verbrechen sollte jeden rechtschaffenen Menschen wütend machen", schrieb die englischsprachige chinesische Zeitung weiter. Es setze "wieder einmal ein großes Fragezeichen hinter das von den USA selbst verbreitete Bild als Weltmeister der Menschenrechte".

Britischer Regierungschef "schockiert"

Der Sprecher des britischen Premierministers David Cameron sagte am Montag in London, die Vorwürfe über die Misshandlungen von Gefangenen müssten untersucht werden. "Unsere Position ist eindeutig: Misshandlungen von Gefangenen darf es nicht geben, und wir werden den Vorwürfen natürlich nachgehen", sagte der Sprecher. Am Sonntag hatte der britische Vizepremierminister Nick Clegg die enthüllten Berichte als "schockierend" und "schwerwiegend" bezeichnet. Die Menschen erwarteten eine Reaktion der US-Regierung.

US-General weist Vorwurf zurück

Einer der ranghöchsten US-Generäle hat dem Vorwurf widersprochen, die US-Streitkräfte hätten die Misshandlung von Gefangenen im Irak geduldet. "Das war nicht der Fall", sagte der Stabschef der Bodenstreitkräfte, George Casey. "Unsere Politik sah vor, dass US-Soldaten den Missbrauch von Gefangenen stoppten, wenn sie darauf aufmerksam wurden, und ihn sofort in der Befehlskette nach oben meldeten."

Wikileaks-Gründer fürchtet um Sicherheit

Wikileaks-Gründer Julian Assange sagte am Sonntagabend dem israelischen Sender Channel 2, er sorge sich um seine Sicherheit. "Ich fürchte nicht um mein Leben, aber wir mussten zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen treffen", sagte er dem Privatsender in London. Dem Sender zufolge wurde das Gespräch in einem "muslimischen Kulturzentrum" geführt. Assange sei von Leibwächtern begleitet worden. Der Australier Assange rechnet nach eigenen Worten damit, dass die USA versuchen könnten, ihn und andere zu ergreifen und der US-Gerichtsbarkeit zu unterstellen.

400.000 Geheimdokumente veröffentlicht

Wikileaks hatte am Samstag fast 400.000 Geheimdokumente zum Irak-Krieg veröffentlicht. Die Unterlagen stammen laut der Internetplattform aus "einer Datenbank des Pentagon" aus der Zeit vom 1. Jänner 2004 bis zum 31. Dezember 2009. Darin seien "zahlreiche Fälle von Kriegsverbrechen" belegt. Aus den Unterlagen geht unter anderem hervor, dass die US-Armee trotz ihres Wissens von Folterungen von Gefangenen durch irakische Sicherheitskräfte nicht einschritt. Ein Wikileaks-Sprecher wies am Montag den Vorwurf zurück, die Plattform sei antiamerikanisch.

(Ag.)

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