Buch der Woche

Emine Sevgi Özdamar: Und immer wieder die Krähen

Clemens Fabry
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Ein Roman, der die eigene Entstehungsgeschichte zum Inhalt hat. Diese ist gleichzeitig die Lebensgeschichte der Autorin: Emine Sevgi Özdamars „Ein von Schatten begrenzter Raum“.

Wir warnen dich zum letzten Mal, bleib fern von den Buchstaben.“ So lautet nur eine der unheilvollen Prophezeiungen, welche die Protagonistin des neuen Romans von Emine Sevgi Özdamar begleiten. Die Unkenrufe mahnen zur Vorsicht, und auch die wiederkehrende Vision ihres eigenen, fünfundzwanzig Jahre älteren Gesichts malt ihr eine düstere Zukunft aus: „Du wirst sechs Putzfrauenrollen spielen und viele Bücher schreiben und wirst am Ende geschlachtet . . .“

Die Erzählerin ignoriert diese Warnungen und schildert aus der Gegenwart heraus die Entstehungsgeschichte des vorliegenden Romans, die gleichzeitig die Lebensgeschichte von Emine Sevgi Özdamar ist: das Weggehen aus Istanbul in den 1960er-Jahren, das Ankommen in Deutschland und am Theater, die Jahre in Paris und die Rückkehr nach Deutschland. Weit entfernt und doch immer greifbar ist der Bezugspunkt Türkei, besonders eine kleine Insel in Sichtweite zu Lesbos, wo einst der Entschluss zum Weggehen gefallen ist. Sie erzählt von den Erfolgen als Schauspielerin, Bühnenbildnerin und Regisseurin, von Beziehungen und Freundschaften und nicht zuletzt auch vom Weg von der Bühne zum Text, von der Schauspielerin zur Schriftstellerin. Man erfährt von den Jahren unsicherer Existenz in Europa, ohne Arbeitsvisum oder Aufenthaltsbewilligung, und von der türkischen Diaspora in Paris, die aus der Ferne den Militärputsch im Jahr 1980 und die steigende Zahl der Toten beobachtet, von beklemmenden Telefonaten mit den Eltern in Istanbul, der Mutter, die berichtet: „Ich sitze im Dunkeln.“ Dazwischen schiebt sich immer wieder die Gegenwart: Die Attentate auf das Bataclan und „Charlie Hebdo“ in Paris, die 2015 in Deutschland ankommenden Geflüchteten.

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