Coronakrise

Brasilien: Senatsausschuss stimmt für Anklage gegen Bolsonaro

Gräber von Covid-19-Toten in Brasilien.
Gräber von Covid-19-Toten in Brasilien.APA/AFP/MICHAEL DANTAS
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Die Bolsonaro-Regierung habe „die Bevölkerung absichtlich einem realen Risiko einer Masseninfektion ausgesetzt hat", heißt es im Bericht des Ausschusses. Juristische Konsequenzen muss Bolsonaro kaum fürchten.

Ein Ausschuss des brasilianischen Senats hat für eine Anklageerhebung gegen Präsident Jair Bolsonaro wegen dessen Corona-Politik gestimmt. Sieben der elf Ausschussmitglieder billigten am Dienstag in Brasília formell einen Untersuchungsbericht, in dem die Anklage gegen den rechtsradikalen Staatschef unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verlangt wird.

Anklageerhebungen durch die Staatsanwaltschaft werden darin auch gegen 77 weitere Beschuldigte verlangt, darunter mehrere Minister und Ex-Minister sowie drei Söhne Bolsonaros.

Der als Ergebnis sechsmonatiger Nachforschungen zusammengestellte Bericht des Senatsausschusses war bereits in der vergangenen Woche veröffentlicht worden. Die Bolsonaro-Regierung habe im Kampf gegen die Corona-Pandemie "langsam gehandelt und die Bevölkerung absichtlich einem realen Risiko einer Masseninfektion ausgesetzt hat", heißt es in dem knapp 1200 Seiten langen Report.

Bolsonaro dürfte geschützt sein

Der Bericht soll an die Staatsanwaltschaft weitergereicht werden. Juristische Konsequenzen muss Bolsonaro dennoch kaum fürchten, da er die Rückendeckung von Generalstaatsanwalt Augusto Aras hat. Der Verbündete dürfte ihn vor jeglicher Anklage schützen. Auch die Einleitung eines parlamentarischen Amtsenthebungsverfahrens gegen den Staatschef zeichnet sich nicht ab, da er im Kongress ausreichend Unterstützung hat, um ein solches Verfahren abzuwenden.

Allerdings könnte das Vorgehen der Senatoren dem Präsidenten, der kommendes Jahr zur Wiederwahl antreten will, politisch schaden. Umfragen zufolge droht Bolsonaro bei der Wahl eine deutliche Niederlage gegen den linksgerichteten Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva.

Bolsonaro weist jedoch alle Vorwürfe zu seiner Corona-Politik zurück. "Wir wissen, dass wir uns absolut nichts zuschulden kommen lassen", sagte er in der vergangenen Woche. "Wir wissen, dass wir vom ersten Moment an das Richtige getan haben."

Der Senatsausschuss forderte nun auch den Obersten Gerichtshof des Landes auf, alle Konten Bolsonaros in den Onlinenetzwerken sperren zu lassen. Der Zugang des Präsidenten zu Youtube, Twitter, Facebook und Instagram soll demnach auf unbestimmte Zeit gesperrt werden, da dieser auf Facebook fälschlicherweise einen Zusammenhang zwischen Corona-Impfungen und Aids hergestellt hatte.

Youtube-Sperre

Bolsonaro hatte am Donnerstag in seiner wöchentlichen Live-Ansprache auf Facebook nicht existente "offizielle Berichte" der britischen Regierung zitiert, wonach vollständig gegen das Coronavirus Geimpfte "viel schneller als erwartet" eine Aids-Erkrankung entwickeln. Facebook löschte das Video wegen des Vorwurfs der Verbreitung medizinischer Fehlinformationen, Youtube verhängte eine einwöchige Sperre gegen den Präsidenten.

Bolsonaro hat sich bisher nicht impfen lassen und mit umstrittenen Äußerungen zu Impfstoffen bereits zuvor für Aufsehen gesorgt. Auch hat er die Gefahren durch das Coronavirus wiederholt kleinzureden versucht und Corona-Auflagen der brasilianischen Regional- und Kommunalbehörden wegen ihrer ökonomischen Auswirkungen kritisiert.

Insgesamt wurden seit Beginn der Pandemie mehr als 600.000 Corona-Tote in Brasilien verzeichnet. Das südamerikanische Land liegt damit weltweit an zweiter Stelle hinter den USA.

(APA/AFP)

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