2. November

Wiens Strategie gegen Terrorismus

Vor einem Jahr: Gedenken an die Opfer des Terroranschlags im Wiener Bermudadreieck in unmittelbarer Nähe des Stadttempels.
Vor einem Jahr: Gedenken an die Opfer des Terroranschlags im Wiener Bermudadreieck in unmittelbarer Nähe des Stadttempels.Die Presse/Clemens Fabry
  • Drucken

Zum Jahrestag des Terroranschlags präsentiert Wien eine Präventions-Studie: Demnach müsse man den Jihadismus und seine Propaganda mit Gegen-Narrativen entschärfen.

Wien. Man nannte sie Foreign Terrorist Fighters – junge Leute, die anfällig für radikal-islamistisches Gedankengut waren und aus mehreren Ländern in Richtung Syrien oder Irak zogen. Dort schlossen sie sich terroristischen Vereinigungen an, wie etwa dem „Islamischen Staat“. Viele von ihnen starben, andere wiederum kehrten frustriert zurück. Europäische Städte, auch Wien, entwickelten Gegenmaßnahmen. Davon berichtete am Freitag Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).
Aber der Reihe nach: Der Zuzug in die Jihad-Gebiete funktionierte, weil die Propaganda mit einfachen Narrativen arbeitete. Es gelang ihr, junge Leute ohne Perspektive, ohne Bildung, ohne Aufstiegschancen zu ködern. Meist auf sozialen Medien. Mit Erzählweisen von Opferbereitschaft und unabdingbarer Gewalt gegen Anders- oder Ungläubige.

In der Terrorismus-Prävention beschritt man daher einen naheliegenden Weg: Man begann, die Rekrutierer mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Man entwarf Gegen-Narrative. Dies ist nun auch zentraler Bestandteil der Extremismus-Prävention der Stadt Wien.

Zum Jahrestag des islamistischen Terroranschlags mit vier Toten und Dutzenden Verletzten (2. November 2020) stellte Ludwig nun die Studie „Prävention findet Stadt“ vor. Der Autor, der Politikwissenschaftler Nicolas Stockhammer, hebt darin das „Wiener Netzwerk Demokratiekultur und Prävention“ (WNED) hervor. Dieses sei, so Ludwig, Vorbild für das später vom Bund entwickelte „Netzwerk Extremismusprävention und Deradikalisierung“ gewesen.

Das Netzwerk besteht aus einer Steuerungsgruppe, in der Vertreter des Magistrats (Jugend, Integration etc.), des Landtags, der Polizei oder des Fonds Soziales Wien sitzen. Die genannten Stellen als Ganzes bilden die Basis. Einer der Auslöser für diese Vernetzung war die Ausreise der beiden Wiener Schülerinnen Samra K. und Sabina S. in den Jihad. Fotos, die die beiden Mädchen mit bosnischen Wurzeln nach ihrer Ausreise in Burkas zeigten, riefen internationales Echo hervor.

Unter der Leitung von Ercan Nik Nafs von der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft wurden und werden diverse Präventions-Maßnahmen umgesetzt. Das heißt: Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene werden direkt angesprochen – in der Schule, beim Sport oder auf dem Arbeitsplatz. Der soziale Zusammenhalt soll gestärkt, Wissen vermittelt werden. Nicht nur das. Auch Polizisten oder Sozialarbeiter bekommen Schulungen zum Thema Radikalisierung. Ziel ist es, Radikalisierungstendenzen früh zu erkennen.

Beim Wien-Attentäter K. F. (20), einem österreichisch-nordmazedonischen Doppelstaatsbürger mit albanischen Wurzeln, hat das allerdings nicht funktioniert. Das sei laut Stockhammer darauf zurückzuführen, dass es nicht gelang, den späteren Täter in einem Frühstadium seiner Entwicklung zu erreichen. Zwar war K. F. den Behörden wohl bekannt, er war wegen des Tatbestands „Terroristische Vereinigung“ in Haft gesessen, aber entscheidend sei, so Stockhammer, junge Leute quasi abzuholen, noch bevor sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

Für die Zukunft sei es ratsam, die auf Vernetzung basierenden Maßnahmen auf Rechtsextremismus und auch auf Verschwörungs-Theoretiker auszudehnen. Stichwort: Corona-Leugner.
Wie legen andere Städte Extremismus-Prävention an? Hier zeigt die Studie Best-Practice-Beispiele auf. Im dänischen Arhus (allein von dort reisten 30 Personen in den Jihad) hat man ein Drei-Stufen-Modell entwickelt. Erster Schritt: Man sensibilisiert Leute, die sich selbst helfen können. Stufe zwei wendet sich an Personen, die in den Extremismus zu kippen drohen und daher Unterstützung brauchen. Auf Stufe drei werden gezielte Interventionen vorgenommen – für jene, die schon unmittelbar an der Schwelle zum Radikalismus stehen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.