Animationskino

Ein Filmroboter mit einem Knacks

In einem defekten „smarten“ Spielzeug findet Außenseiter Barney einen Freunde-Ersatz.
In einem defekten „smarten“ Spielzeug findet Außenseiter Barney einen Freunde-Ersatz. [ 20th Century Studios]
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Robotische „Freunde“ sind ein bedenkliches Spielzeug. Und wenn ihr Code voller Makel ist? „Ron läuft schief“ bricht eine Lanze für die Unberechenbarkeit.

Was macht gute Freunde aus? Dass sie uns bis ins kleinste Detail kennen? Dass sie immer Zeit für uns haben? Dass sie uns treu ergeben sind, uns unterhalten, uns durchs Leben helfen? Das können Roboter auch. Die kleinen rollenden Hightech-Assistenten, die im neuen Animationsfilm „Ron läuft schief“ mit nicht allzu futuristischem Blick entworfen werden, können es besonders gut. Alle Kinder haben hier einen sogenannten B-Bot, der ihnen wie ein folgsames Hündchen zur Seite steht und deren Rundum-Display ganz nach ihren unausgesprochenen Bedürfnissen erstrahlt. Sprechende Social-Media-Schnittstelle, Spielkumpan, automatisiertes Mode-Accessoire, diese Dinger sind alles in einem, und auch noch völlig pflegeleicht und anspruchslos: Was für eine Erfindung!

Als „dein neuer bester Freund“ werden die B-Bots im Film beworben. Die MIT-Professorin Sherry Turkle, die die Beziehungen zwischen Kindern und Technologie erforscht, hat schon vor Jahren vor solchen Produkten gewarnt: Kinder würden solche Roboter tatsächlich als Personen wahrnehmen und dadurch falsche, einseitige Konzepte von Freundschaft annehmen – was ihrer Empathiefähigkeit schaden könnte. Der Film arbeitet sich an dem Thema nun auf leichtfüßige Art ab – und stellt den smarten Rechenwundern mit ihrer kalkulierten Zuneigung ein fehlerhaftes Exemplar entgegen.

Knuffig, aber gewaltbereit

Dieses gehört Barney, einem Außenseiter mit abstehenden Ohren, dem stets das Zetterl vom Pulli am Nacken raushängt – ein Bespiel für die liebevolle Charakterzeichnung von Locksmith, dem neuen britischen Animationsstudio, das hinter dem knallbunten Abenteuer steckt (vertrieben wird es von Disney). Sein Roboter namens Ron hat einen Knacks im Quellcode – oder, wie es jener junge Tech-Unternehmer ausdrückt, der das Spielzeug erfunden hat: Er ist „instabil“. Statt der farbenfroh funkelnden Oberfläche ziert Ron ein pixeliges Schwarz-Weiß-Gesicht. Eine vollständige Datenbank hat er ebenso wenig wie Zugang zur „Cloud“, dafür sind sämtliche Sicherheitskontrollen deaktiviert. Ron kann sich prügeln, seinem Besitzer widersetzen, hat Schrullen und sogar eigene Bedürfnisse: der erste Bot mit „Persönlichkeit“?

Man kann „Ron läuft schief“ als kinderfreundliche Ode an Unberechenbarkeit und Nonkonformismus lesen, die eine gewagte These aufstellt: Sind künstliche Intelligenzen gerade dann am begehrenswertesten, wenn sie uns nicht gehorchen? Darüber können die erwachsenen Zuseher diskutieren. Den jungen bietet der Film ein erstaunlich vielschichtiges Themenpaket. Die Einsamkeit hinter der perfekten Online-Inszenierung, Echokammern, Mobbing, Datenkraken – das wird nie mit erhobenem Zeigefinger behandelt, sondern mit einem heiteren Zugang, der Kinder ernst nimmt und ihnen etwa auch zutraut, tückische Unternehmer-Phrasen zu entlarven: Als der hinterlistige Konzernchef (der auftritt, als käme er frisch aus der Apple-Zentrale) die Kameras aller B-Bots für Spionage nutzen will und empörte Reaktionen erntet, beschwichtigt er schnell: Natürlich wird alles „nur zu Trainingszwecken aufgezeichnet“!

Das Unangepasste feiert „Ron läuft schief“ auch in den Nebenfiguren: in Barneys bulgarischer Oma, die beim Kindergeburtstag schon Sechsjährige beim „Schlag den Diktator“-Spiel anfeuert, oder dem Vater, der analogen Ramsch übers Internet verhökert. Als technologisch Abgehängten haftet ihrer Darstellung eine tragische Note an: Eine Verweigerung der Hightech-Realität ist eben auch keine Lösung in diesem quirligen Spaß, der jetzt im Kino zu sehen ist.

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