Lehre

Auch Lehrlinge sollen ins Ausland

Ein Auslandsaufenthalt erweitert sowohl fachliche als auch persönliche Skills. Davon sollen Lehrlinge verstärkt profitieren.
Ein Auslandsaufenthalt erweitert sowohl fachliche als auch persönliche Skills. Davon sollen Lehrlinge verstärkt profitieren. [ OeAD/G. Gava ]
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Im Vergleich zu Schülern absolvieren Lehrlinge deutlich seltener Auslandspraktika. Ein Ausbau des einschlägigen Erasmus+ Programms und Infokampagnen sollen Abhilfe schaffen.

Internationalität und Mobilität gewinnen im Wirtschaftsleben immer mehr an Bedeutung, und zwar auf allen Ebenen. Auslandspraktika sind für Schüler und Studenten bereits die Regel. Lehrlinge hingegen nehmen im Vergleich zu Schülern die Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts unterproportional in Anspruch. Zwischen 2014 und 2019 wurden jährlich rund 2800 Praktika für Schüler genehmigt und nur 720 Plätze für Lehrlinge.

Lehrlinge wenig mobil

Grund dafür ist vor allem die geringere Mobilität von Lehrlingen, wie eine aktuelle Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) zum Thema Auslandsmobilität in der Lehrlingsausbildung im Auftrag der OeAD gemeinsam mit dem Bildungs- und dem Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) ergibt. Aus Sicht der Lehrlinge seien es nicht primär der finanzielle Aspekt oder die Sprachbarriere, die sie daran hindern, ein Auslandspraktikum in Betracht zu ziehen, sondern der Wunsch nach Verbleib beim Freundeskreis und die Tatsache, nicht allein verreisen zu wollen.

Dabei sind die Vorteile laut Jakob Calice, Geschäftsführer von Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD), die die Erasmus+ Programm in Österreich abwickelt, enorm: „Den jungen Menschen bringt ein Auslandspraktikum eine extreme Eigenständigkeit und ein gesteigertes Selbstbewusstsein, weil sie sich meist das erste Mal allein in einem neuen Umfeld behaupten müssen. Zurück kämen alle mit einer gestärkten Persönlichkeit, denen die Arbeitgeber dann auch mehr anvertrauen. Beim Zielort kann der Lehrling übrigens Präferenzen angeben: England, Irland, Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich sind die häufigsten Destinationen.

Um die Lehre für die Lehrlinge selbst, aber auch die Betriebe noch attraktiver zu machen, wurden die EU-Budgetmittel für Erasmus+ 2021–2027 fast verdoppelt. 2020 wurden laut Calice die EU-Gelder voll ausgeschöpft und 1038 Lehrlingen konnte ein Auslandspraktikum finanziert werden. Die Lehrlinge bekommen neben einer Aufenthaltskostenpauschale weiter ihre Lehrlingsentschädigung, und der Betrieb bekommt diese refundiert. Organisationen wie die IFA (Internationaler Fachkräfteaustausch) organisieren Lehrbetriebe, Gastfamilien und stellen vor Ort Ansprechpersonen ab. 2027 sollen laut Calice jedenfalls 2000 Lehrlinge jährlich im Ausland Praktika absolvieren.

Praktikum bringt Erfahrung

Milica Ognjanović ist einer der Lehrlinge, die bereits ein Auslandspraktikum absolviert haben. Sie hat sich Spanien gewünscht – und auch bekommen. Fünf Wochen verbrachte die angehende Speditionskauffrau in Las Palmas auf Gran Canaria in einer Reederei. „Ich wollte in meiner Branche bleiben und in ein Spanisch sprechendes Land“, sagt Ognjanović. Nach ihrer Matura an einer Handelsakademie hat sie sich für eine Lehre zur Speditionskauffrau entschieden und beim Hafen Wien gelernt. Über das Internet hat sie von der Möglichkeit eines Auslandspraktikums erfahren und war sofort Feuer und Flamme. Seitdem habe sie schon viele Lehrlinge dafür motivieren können: „Das Praktikum war eine unglaubliche persönliche Bereicherung – neue Menschen, eine neue Kultur, ein anderes Umfeld und die Möglichkeit, meine Sprachkenntnisse zu vertiefen, waren unbezahlbar“, freut sich Ognjanović, die mittlerweile im Kundencenter des Hafen Wien arbeitet und regelmäßig von ihren Spanischkenntnissen profitiert. Heute rät sie jedem Lehrling „Mut, zu Neuem zu haben. Es zahlt sich aus und keiner ist je enttäuscht zurückgekommen“.

Auf Unternehmensseite sind Auslandspraktika vor allem im Handel, der Industrie, im Tourismus und in kaufmännischen Berufen beliebt. Unternehmen wie der Flughafen Wien, der Hafen Wien, DM Drogerie Markt, Spar, Siemens, die Rail Cargo Austria oder Fronius setzen seit Jahren auf den Austausch ihres Nachwuchses. „Das Interesse an Auslandsmobilität für Lehrlinge ist aus Sicht jener Lehrbetriebe, die bereits Erfahrungen damit haben, sehr groß “, sagt Kurt Schmid, Studienautor des ibw.

Werbung mit Influencern

Auf einen Blick

Durch bessere Abstimmung von Betrieben und Berufsschulen beziehungsweise der Bildungsdirektionen sollen nun noch mehr Interessenten von den Auslandspraktika erfahren und Lehrlinge selbst auch über Influencer angesprochen werden.Auslandspraktika sind bei Lehrlingen deutlich weniger beliebt als bei Schülern. Ein Grund ist fehlendes Interesse von- seiten der Lehrlinge. Der Nutzen von Auslandsaufenthalten ist unter Experten unumstritten. Ein Ziel im Rahmen von Erasmus+ ist daher, die Zahl der Auslandspraktika bei Lehrlingen auf 2000 pro Jahr zu steigern. Neben organisatorischen und finanziellen Hilfen durch Infokampagnen mit Influencern.

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