COP26

100 Staaten wollen den Wald retten - wieder einmal

Der brasilianische Regenwald ist in den letzten Jahren weiter geschrumpft - hier ein Bild nahe der Baustelle einer neuen Autobahn in Apui, im Bundesstaat Amazaonas.
Der brasilianische Regenwald ist in den letzten Jahren weiter geschrumpft - hier ein Bild nahe der Baustelle einer neuen Autobahn in Apui, im Bundesstaat Amazaonas. REUTERS
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Alle 27 EU-Länder beteiligen sich an dem Plan, auch die waldreichen Länder Kanada, Russland, Brasilien oder die DR Kongo sind dabei. Doch ein ähnliches Abkommen 2014 hat wenig Wirkung gezeigt.

Es ist eine erste Vereinbarung, die am Weltklimagipfel (COP26) in Glasgow am späten Montagabend bekannt gegeben wurde: Mehr als 100 Staaten haben sich verpflichtet, die Zerstörung von Wäldern und anderen Landschaften bis 2030 zu stoppen. Die beteiligten Länder, darunter Österreich und die gesamte EU, repräsentieren 85 Prozent der weltweiten Waldfläche, also etwa 34 Millionen Quadratkilometer. Jede noch so kleine Einigkeit wird von den teilhabenden Ländern und dem britischen Veranstalter als großer Erfolg verkauft. Doch es gibt auch Kritik an der Einigung. Und schließlich gab es einen ähnlichen Beschluss auch schon 2014.

Die gute Nachricht jedenfalls: Es sind tatsächlich auch die großen, waldreichen Länder Teil der Vereinbarung: Kanada, Russland, Brasilien, Kolumbien, Indonesien sowie China, Norwegen und die Demokratische Republik Kongo. Für das Vorhaben werden bis 2025 etwa 12 Milliarden US-Dollar (10,3 Milliarden Euro) an öffentlichen Geldern mobilisiert. Hinzu kommen 7,2 Milliarden US-Dollar (6,2 Mrd. Euro) private Investitionen.

Boris Johnson: „Kathedralen der Natur"

Wälder gelten als die Lunge unseres Planeten, sie nehmen etwa ein Drittel der jährlich vom Menschen ausgestoßenen CO2-Emissionen auf. Doch schrumpfen sie bedenklich, wie es in der Mitteilung weiter hieß: Jede Minute gehe eine Fläche von etwa 27 Fußballfeldern verloren. Das World Resources Institute berechnete, dass die Waldfläche 2020 um 258.000 Quadratkilometer zurückgegangen sei, eine Fläche größer als jene von Konferenz-Gastgeber Großbritannien.

Der britische Premierminister Boris Johnson sprach der Mitteilung zufolge von Wäldern als „Kathedralen der Natur“ und erklärte: „Sie sind unverzichtbar für unser Überleben.“ Der Präsident Indonesiens, Joko Widodo, wird mit den Worten zitiert, sein Land sei gesegnet mit viel Regenwald. Seine Regierung verpflichte sich, diese als „natürliches Kapital“ zu beschützen.

Der international für seine Umweltpolitik hart kritisierte brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro kündigte zum Beginn der COP26 in einer Videobotschaft die Verschärfung des Klimaziels an. Die Treibhausgasemissionen des Landes sollen bis 2030 im Vergleich zu 2005 halbiert werden. Bisher war eine Reduktion um 43 Prozent vorgesehen. Außerdem sicherte Umweltminister Joaquim Leite zu, dass auch Brasilien bis 2050 Kohlenstoffneutralität erreichen will - und zwei Jahre früher als bisher vorgesehen, nämlich bis 2028 illegale Abholzungen im Amazonasgebiet vollständig unterbunden werden sollen.

Pessimistische Experten

Die Erfahrung aus der Vergangenheit lässt bei Beobachtern des Geschehens in Glasgow aber wenig Euphorie aufkommen. So hätte sich eine ähnliche Erklärung aus dem Jahr 2014 als vollkommen wirkungslos erwiesen, sagte etwa der Klima- und Waldexperte Simon Lewis vom University College London der BBC. Es sei eine gute Nachricht, dass sich so viele Länder politisch dazu verpflichtet hätten, die Entwaldung zu beenden. Doch die Welt sei bereits vor Jahren an diesem Punkt gewesen. Die Abholzung in industriellem Maßstab ging auch nach 2014 ungebremst weiter - etwa auch im Amazonas-Regenwald, wo seit dem Amtsantritt von Bolsonaro 2019 jedes Jahr 10.000 Quadratkilometer Baumbestand verloren gingen. In den zehn Jahren zuvor waren es im Schnitt jährlich rund 6500 Quadratkilometer.

Außerdem werde der Aspekt der immer größer werdenden Nachfrage nach Fleisch in der Übereinkunft ausgespart, meint Lewis. Denn schließlich würden viele der Produkte auf gerodeten Regenwaldflächen produziert. Der Fleischkonsum in westlichen Ländern müsse thematisiert werden, so Lewis.

Der Ökologe Nigel Sizer vom World Resources Institute (WRI) bezeichnete die Abmachung hingegen als „große Sache“, schränkte aber ein, die Zielmarke von einem Ende der Entwaldung bis 2030 könne als „enttäuschend“ wahrgenommen werden.

Deutlicher wird da die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Mit der Vereinbarung werden praktisch grünes Licht gegeben „für ein weiteres Jahrzehnt der Entwaldung."

(APA/Ag.)

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