Der derzeit suspendierte Sektionschef im Justizministerium wurde von der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Verdachts auf Verletzung des Amtsgeheimnisses angeklagt. Die Richterin sieht keinen Gesetzesverstoß. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Hat der derzeit suspendierte Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, seine Macht missbraucht? Hat er Geheimnisse verraten? Sich der Korruption schuldig gemacht? Diese Fragen galt es heute, Mittwoch, am Wiener Landesgericht für Strafsachen zu klären. Nach knapp vier Stunden stand für Richterin Julia Matiasch fest: Der Jurist ist freizusprechen - Geheimnisse habe er aber sehr wohl verraten, hielt sie in der Begründung ihres Urteils, das noch nicht rechtskräftig ist, fest.
Der Reihe nach: Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hatte Pilnacek vorgeworfen, gegen das in § 310 StGB festgelegte Amtsgeheimnis verstoßen, sich „der Instrumentalisierung von Journalismus“ und damit der Korruption schuldig gemacht zu haben. Ausgangspunkt dieser Argumentation ist eine Anzeige von Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen eine Redakteurin der „Presse“. Sie hatte darin kritisch über die Arbeit der Korruptionsermittler geschrieben. Die Anzeige wurde abgewiesen, Pilnacek aber alsbald verdächtigt, am 15. Dezember 2020 eine Redakteurin des „Kurier" von eben dieser informiert zu haben. Tags darauf soll er ergänzt haben, dass kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Woher er das wusste? Von der Oberstaatsanwaltschaft Wien, heißt es in dem zwölfseitigen Strafantrag.
Pilnacek: „Welche Macht soll ich missbraucht haben?“
„Bei Korruption gibt es kein Opfer, das sich an die Polizei wenden kann", hielten die Staatsanwälte fest. „Das heißt aber nicht, dass es bei Korruption überhaupt kein Opfer gibt - wir alle sind Opfer von Korruption.“ Denn die Bürger vertrauten darauf, dass Amtsträger ihre Amtsgeschäfte ordnungsgemäß erledigen und nicht im Eigeninteresse handeln, unterstellten sie, dass Pilnacek die WKStA bloßstellen wollte. Ihr Fazit: „Wir haben so etwas ähnliches wie eine Tatwaffe: Wir haben das Handy des Angeklagten" - und damit die Chats, „die den Geheimnisverrat belegen“, plädierten sie auf einen Schuldspruch.
Pilnacek, der von der Wiener Anwaltskanzlei „Böhmdorfer Schender“ verteidigt wurde, bestritt die Vorwürfe: „Welche Macht soll ich missbraucht haben?“, fragte er. Er habe sich lediglich über die WKStA-Anzeige geärgert und eine Debatte über den Umgang der Justiz mit Kritik anstoßen wollen. Eine mediale Berichterstattung darüber habe er nicht im Sinn gehabt und diese auch nicht angestoßen.
Das sah auch Richterin Matiasch so: Pilnacek habe zwar Informationen über die Ermittlungen gegen die „Presse"-Journalistin - und damit ein Geheimnis - verraten, allerdings seien dadurch weder öffentliche noch private Interessen gefährdet worden. Die Staatsanwälte äußerten sich im Anschluss nicht zu dem Freispruch, haben dafür aber drei Tage lang die Möglichkeit. So lange ist das Urteil jedenfalls nicht rechtskräftig.
Ermittlungen laufen weiter
Die Causa ist übrigens nicht die einzige, in der der Name Pilnacek auftaucht. Ermittelt wird gegen den 58-Jährigen, der als ÖVP-nahe gilt, auch wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch. So wird ihm vorgeworfen, seinen ehemaligen Chef, Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter, über eine nahende Hausdurchsuchung bei dem Immobilieninvestor Michael Tojner informiert zu haben - dessen Verteidiger Brandstetter war. Daneben vermutet die Justiz, dass Pilnacek vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur „Causa Ibiza“ falsch ausgesagt hat. So meinte Pilnacek, erst im Nachhinein von der Razzia bei dem ehemaligen Alleinvorstand der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid, erfahren zu haben. Die WKStA will aber Belege dafür haben, dass Pilnacek über diese von Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, informiert worden ist. In beiden Fällen weist Pilnacek (und Fuchs in zweiterem) die Vorwürfe zurück.
Und: Erst unlängst beschritt Pilnacek zweimal den Weg zum Verfassungsgerichtshof (VfGH). Einerseits beklagte er dort die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte (nach Art. 138b Abs. 1 Z 7 B-VG), da Chatnachrichten von ihm an den Ibiza-U-Ausschuss übermittelt und in der Folge öffentlich zitiert worden sind. Der VfGH nannte die Beschwerde unzulässig. Andererseits wehrte sich Pilnacek gegen das Suspendierungserkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts. Die Beweise dafür seien rechtswidrig erhoben worden, meinte er. Die Höchstrichter lehnten auch das ab, denn: Ob die Bestimmungen richtig angewendet wurden, sei keine verfassungsrechtliche Frage. Damit wandert der Fall an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH).
Der Liveticker zum Nachlesen: