Das Geplänkel zwischen London und Paris um Fangquoten für französische Kutter lenkt von einer heiklen Frage ab: Kündigen die Briten wegen Nordirland den Deal mit der EU auf?
London/Paris/Brüssel. Wie es bei Dramen gern der Fall ist, entzünden sich große Konflikte oft an Petitessen. Im Verhältnis zwischen den aus der EU ausgetretenen Briten und der Union sind diese Brennpunkte oft gastronomischer Natur. So stand im Mittelpunkt des Streits um die weiter bestehende Verankerung Nordirlands im EU-Binnenmarkt die längste Zeit die britische Rohwurst, die wegen regulatorischer Sonderbehandlung der Provinz nicht vom Rest des Vereinigten Königreichs angeliefert werden durfte. Und auch die Frage nach dem künftigen Umgang der Briten mit ihrem EU-Nachbar Frankreich wird über einen kulinarischen Umweg erörtert: den Fisch.
Das Verhältnis zwischen den westeuropäischen Atommächten, die obendrein beide im UN-Sicherheitsrat sitzen, wird momentan durch den Zugang zu britischen Gewässern für französische Fischer bestimmt. Angesichts der mikroskopischen Bedeutung des Fischfangs für beide Volkswirtschaften – 0,06 Prozent des BIPs im Falle Frankreichs, 0,1 Prozent des BIPs in Großbritannien – mutet das kurios an. Doch politisch sind die Sektoren von großer symbolischer Bedeutung – in Großbritannien, wo die Kontrolle über die eigenen Gewässer ein Hauptargument für den Brexit war; und in Frankreich, wo die Fischerlobby gut vernetzt ist und Staatschef Emmanuel Macron im April um seine Wiederwahl kämpft.
Nach anfänglicher Androhung von Sanktionen setzt Frankreich vorerst auf den Verhandlungsweg. Am Donnerstag wird der britische Brexit-Minister, David Frost, in Paris erwartet, wo er über Lizenzen für französische Kutter verhandeln wird. Mehr als 90 Prozent wurden zwar im beiderseitigen Einverständnis vergeben, mehrere Dutzend französische Boote warten aber nach wie vor auf Genehmigungen. Laut Paris stehen den Betroffenen ebenfalls Lizenzen zu, London sieht das anders.