Der Porsche Cayenne Turbo GT
Fahrbericht

Porsche Cayenne Turbo GT: Der Velociraptor unter den Dinosauriern

640 PS, schneller auf 100 km/h als ein Ferrari F458 – eine Ausfahrt mit dem Porsche Cayenne Turbo GT.

Wien. Schauen wir uns zuerst an, mit wie viel Liebe zum Detail die Ingenieure und Designer in Zuffenhausen gearbeitet haben, um den Porsche Cayenne Turbo GT zum schnellsten und leistungsfähigsten SUV der Welt zu machen. Sie haben beispielsweise den negativen Sturz der vorderen Felgen um 0,45 Grad vergrößert, um den speziell entwickelten Performance-Reifen Pirelli P Zero Corsa mehr Aufstandsfläche zu geben.

Der Abgasstrang besteht ab der Fahrzeugmitte einschließlich der Endschalldämpfer aus Titan, das leichter und besonders hitzebeständig ist. Um zusätzlich Gewicht zu sparen, hat man den Mittelschalldämpfer weggelassen. Das Dach ist aus Carbon, die Lippe des Heckspoilers wurde um 25 Millimeter vergrößert, um den Anpressdruck zu erhöhen.

Selbstverständlich wurde das Fahrwerk adaptiert und der Cayenne um 17 Millimeter tiefer gelegt, die Steifigkeit der Dreikammer-Luftfederung wurde um 15 Prozent erhöht, die Wankstabilisierung neu programmiert, die Schaltzeiten der Achtgang-Tiptronic verkürzt, der V8-Motor erhielt neue Kolben, eine neue Steuerkette, eine andere Kurbelwelle und leistet nun doppelt aufgeladen 640 PS – mehr als jeder andere Achtzylinder von Porsche.

(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)

Für den Fahrer des Cayenne Turbo GT bedeutet diese detailbesessene Arbeit: Aus dem Stand ist man mit diesem SUV in 3,3 Sekunden auf 100 km/h – schneller als mit einem Ferrari F458, schneller als mit einem Lamborghini Murciélago Roadster und sogar schneller als mit dem Radikal-Sportwagen aus dem eigenen Haus: Der Porsche 911 GT3 braucht 3,4 Sekunden, bis er die 100-km/h-Marke erreicht. Nur bei der – in der Praxis eher theoretischen – Höchstgeschwindigkeit muss sich der Cayenne geschlagen geben: Bei ihm ist bei 300 km/h Schluss, der GT3 schafft mit PDK 318 km/h.

Natürlich sitzen wir hier in einer zum Aussterben verurteilten Art. Mit einem durchschnittlichen Ausstoß von 319 Gramm CO2 pro Kilometer ist der Cayenne Turbo GT ein Auslaufmodell (wobei: Mit ihm wäre Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zweifellos umweltfreundlicher von Wien nach Bratislava gefahren, als sie im Juni mit dem Privatjet geflogen ist – und über die ganze Reisezeit gerechnet sicher auch nicht viel langsamer). Der Turbo GT ist in jeder Beziehung ein Dinosaurier – aber er ist nicht einfach nur der Tyrannosaurus Rex unter den Dinosauriern, er ist der Velociraptor.

(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)

Die unmittelbare Kraft, die dieses SUV entwickelt und die man bei jeder Ausfahrt spürt, kennt man sonst nur von Elektroautos, etwa vom Taycan, dem Porsche-Angebot für die vollelektrische Mobilität. Nur spielt im Cayenne Turbo GT ein Orchester, das in unserer Zeit schon weitgehend Auftrittsverbot hat: Der Achtzylindermotor faucht, röhrt, knattert und brüllt und liefert damit die passende und durchaus schöne Begleitmusik.

Die unmittelbare Wucht dieses Autos spürt man beim Druck auf den roten Knopf beim Lenkrad – dann schaltet die Automatik herunter und bereitet den Porsche für den Sprint vor. Ein leichtes Senken der Zehen genügt schon für den Startschuss.

Der rote Knopf am Lenkrad bereitet die Systeme in jedem Fahrmodus bis zu 20 Sekunden lang auf einen spontanen Leistungsabruf vor, der recht heftig ausfallen kann.
Der rote Knopf am Lenkrad bereitet die Systeme in jedem Fahrmodus bis zu 20 Sekunden lang auf einen spontanen Leistungsabruf vor, der recht heftig ausfallen kann.(c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)

So sehr vermittelt einem das SUV, es sei ein Sportwagen, dass man teilweise vergisst, in einem 2,2 Tonnen schweren Fahrzeug zu sitzen. Wenn sich dann die Physik bemerkbar macht, greifen die raffinierten Assistenzsysteme helfend ein. Die Lenkung ist so direkt, wie man sie aus dem 911er kennt, die Verzögerung dank der Keramikbremsen (inkludiert im Startpreis von knapp 274.000 Euro) beeindruckender als die Beschleunigung: In nur knapp über 30 Metern verzögert das SUV von 100 km/h auf null. Gewöhnlich rechnet man mit etwa 50 Metern.

Angeblich lieferte ein Schwestermodell aus dem Volkswagen-Konzern die Hauptmotivation für die Entwicklung des Cayenne Turbo GT. Der Audi RS Q8 nämlich, der auf der Nürburgring-Nordschleife einen neuen SUV-Rekord hinlegte. Das wollte man bei Porsche nicht so einfach hinnehmen, mit dem hochgezüchteten Cayenne benötigte ein hauseigener Testfahrer lediglich 7:28.925 Minuten für die 20,8 Kilometer.

Das ist ein Wert, auf den vor einigen Jahren noch reinrassige Sportwagen stolz sein konnten – und ein Streckenrekord für SUVs auf der Nordschleife. Und eigentlich kann man nur dort den schnellen Saurier wirklich artgerecht halten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2021)

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