Presserat

"Liebesbrief" an Wolfgang Fellner verstieß gegen Ehrenkodex

(c) Die Presse/Clemens Fabry
  • Drucken

Ehemalige Mitarbeiterinnen werfen dem Chef der Gratiszeitung "Österreich" sexuelle Belästigung vor, darunter Moderatorin Katia Wagner. Als Verteidigung veröffentlichte er einen "Liebesbrief" Wagners.

Ein Artikel auf "oe24.at" hat nach Auffassung des Presserats den Ehrenkodex der österreichischen Presse verletzt. Konkret geht es dabei um einen Text von 6. Mai mit dem Titel: "Angebliches 'MeToo-Opfer' schrieb ÖSTERREICH-Chef Liebesbrief“. Im Artikel wird berichtet, dass sich zwei "krone.tv"-Moderatorinnen verbündet hätten, um den Ruf von Medienmacher Wolfgang Fellner zu schädigen. Er erschien, als bekannt wurde, dass seine ehemalige Mitarbeiterin Raphaela Scharf und in weiterer Folge auch Katia Wagner Fellner sexuelle Belästigung vorwarfen.

Letztere habe dem "oe24.at"-Bericht zufolge eine freundschaftliche Beziehung zu Fellner gehabt und diesem auch Geschenke überreicht, darunter einen Blumenstrauß mit dem im Titel erwähnten Begleitbrief aus dem Jahr 2017. Weiters wird Fellner damit zitiert, "dass er fassungslos über so ein Höchstmaß an Unwahrheiten und Intrige sei, die in diesem Fall von einigen Konkurrenzmedien aus reinem Hass und Neid manipulativ mit einer Kampagne unterstützt würden".

Bei dem Text vermisst der Presserat Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche sowie eine Unterscheidbarkeit von Bericht und Kommentar. Leser hatten sich an den Presserat gewandt, der ein Verfahren eingeleitet hat: Der Rechtsanwalt von "oe24" argumentierte darin, dass die Kontaktaufnahme durch Wagner von hohem Nachrichteninteresse sei, da sie den Vorwurf der Belästigung durch Fellner widerlege. Zudem wurde die Echtheit der zitierten Briefe als "unstrittig" bezeichnet, weshalb keine Stellungnahme von Wagner eingeholt wurde.

Die Zuverlässigkeit der Quelle bestätigte der Senat 1 des Presserats zwar, betonte aber gleichzeitig, dass deren Inhalt "neutral" wiederzugeben und "bei dessen Interpretation die notwendige Objektivität aufzubringen" sei. Letztlich werde Wagner durch den Artikel in ein negatives Licht gerückt. "Die Sichtweise Wagners zu den Motiven für ihren Brief kommt im Artikel nicht vor", so der Senat, weshalb der Text als "unausgewogen und verzerrend" bezeichnet wird. Da der Artikel zudem formal wie ein neutraler Bericht gehalten ist und nicht als Kommentar ausgewiesen wurde, seien die darin enthaltenen Wertungen problematisch.

Die Medieninhaberin von "oe24.at" hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt. Sie wird aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.