Expertenhearing

Ein Budget, (fast) fünf verschiedene Meinungen

Auch Finanzminister Blümel war beim Expertenhearing anwesend.
Auch Finanzminister Blümel war beim Expertenhearing anwesend.(c) imago images/SEPA.Media (Martin Juen via www.imago-images.de)
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Der Budgetausschuss befragte Experten zu den Steuerplänen der Regierung, die Antworten waren teils erwartbar. Einigkeit herrschte unter allen Ökonomen bei der Notwendigkeit von Reformen, etwa bei der Pflege.

Wien. Man kennt es von Ärzten: Wenn es um irgendeine Art von menschlichem Verhalten geht, beurteilen es die einen als besonders gesund, die anderen meinen, dass es zum schnellen Tod führt.

Geht es um nüchterne Zahlen, scheinen solch unterschiedliche Einschätzungen schwierig. Dass sie doch möglich sind, erlebte man am Freitag beim vierstündigen Expertenhearing des Budgetausschusses des Nationalrats.

Fünf Experten (jede Partei konnte einen nominieren) beurteilten Budget und Steuerreform durchaus unterschiedlich, wobei sich die Meinungen der Ökonomen anhand der nominierenden Partei recht gut festmachen ließen: Christoph Badelt (nominiert von der ÖVP) und Margit Schratzenstaller (nominiert von den Grünen) lobten weitgehend die Vorhaben der Regierung, Monika Köppl-Turyna (nominiert von den Neos) war kritisch, Markus Marterbauer (nominiert von der SPÖ) kritischer und Martin Grundinger (FPÖ) am kritischsten.

Badelts Zwist mit der FPÖ

Badelt, Präsident des Fiskalrats, lobte den Weg Richtung Konsolidierung und Schuldenabbau. In der Fragerunde dürfte er aber bei ÖVP-Mandatar Karlheinz Kopf für Überraschung gesorgt haben, als der vermutlich auf seine Frage hören wollte, wie gut die Senkung der Körperschaftssteuer ist. Badelt dagegen antwortete, andere Maßnahmen hätten den Unternehmen mehr gebracht, etwa eine Senkung der Steuerlast auf den Faktor Arbeit.

Der scheidende Wifo-Chef lieferte sich in der Fragerunde ein kleines Scharmützel mit der FPÖ. Die Freiheitlichen wollten wissen, ob 3G bzw. 2,5G am Arbeitsplatz zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung führen würde. Badelt entgegnete in Anspielung auf die Aussagen von FPÖ-Chef Herbert Kickl, dass die Pandemie besser bekämpft werden könnte, wenn man die Leute zur Impfung überrede und ihnen nicht die Einnahme von Vitamin C empfehlen würde. Eine weitere Dramatisierung der Corona-Lage berge aber auf jeden Fall eine gewisse Gefahr für die Budgetentwicklung.

Wifo-Expertin Schratzenstaller hob die „wirklich innovative“ Ökosteuerreform hervor und den Einstieg in die Bepreisung von CO2, wobei sie den Preis von 30 Euro pro Tonne als „mäßig“ bezeichnete. Er werde „nur sehr begrenzte Lenkungseffekte“ haben. Die Regierung mahnte sie, in den Budgets zusätzliche Spielräume zu schaffen – beispielsweise für die notwendige Digitalisierung.

Budget der „politischen Willkür"

Mit Grundinger (Austrian Economics Center) hörten die 23 Mandatare und der anwesende Finanzminister Gernot Blümel den kritischsten Experten. Er sprach von einem „Budget der Mehrbelastung“ und der „politischen Willkür“, das auf „sehr vielen Unsicherheiten“ aufbaue und nur auf einen „wolkenlosen Konjunkturhimmel“ setze. Tatsächlich gebe es viele unklare Faktoren, etwa die Inflation. Er bemängelte zudem, dass die kalte Progression nicht abgeschafft werde.

Köppl-Turyna (Eco Austria) kritisierte in ihrer Stellungnahme die weiterhin hohe Belastung des Faktors Arbeit. Die Steuerreform sei eine Entlastung, aber sie sei nicht groß genug. Die Regierung dürfe sich nicht auf die Schulter klopfen, das aktuell hohe Wachstum werde schnell wieder zurückgehen. Es brauche weitere Schritte für eine gute Konjunktur.

Marterbauer bemängelte die „Steuergeschenke für Großunternehmen“ durch die Steuerreform und vermisst – wie alle Jahre – Steuern auf Vermögen und Erbschaften. Der Steuerexperte der Arbeiterkammer verlangte ebenfalls mehr Geld für Bildung, Pflege und Gesundheit. Den österreichischen Sozialstaat auszubauen, sei „eine der wichtigsten Lehren aus der Krise“.

Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters

Unzufrieden zeigte sich Marterbauer auch mit der Erhöhung des Familienbonus. Er halte diesen für „kein gutes Instrument". Der Ausbau der Kindergartenbetreuung wäre besser gewesen. 

Einige waren sich die Experten beim Lob für den Klimabonus, Marterbauer bezeichnete ihn als „internationales Vorbild“, Grundinger merkt kritisch an, dass der Bonus die CO2-Steuer kompensiere. Köppl-Turyna meinte, ihr Institut erwarte, dass die Steuer in Kombination mit weiteren Klimaschutzmaßnahmen dazu beitragen werde, dass Österreich seine Klimaiele erreichen werde.

Auch bei den notwendigen Reformen waren sich die fünf Experten einig, unter anderem wegen der Überalterung. Köppl-Turyna sprach sich gar für eine Anhebung des gesetzlichen, nicht nur des faktischen Pensionsalters aus.

Die Beratungen im Ausschuss dauern bis 12. November, am 18. November soll das Budget nach deitägiger Debatte im Plenum beschlossen werden.

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