Sportanlagen

Öko-Wende im Herzen des Sports

Außenhülle des neuen Eisrings Süd in Wien Favoriten. Darunter versteckt sich ein innovatives, nachhaltiges Energiesystem.
Außenhülle des neuen Eisrings Süd in Wien Favoriten. Darunter versteckt sich ein innovatives, nachhaltiges Energiesystem.(c) Hertha Hurnaus
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Heizen, Kühlen, Licht – der Energiebedarf in Sportstätten ist enorm. Angesichts von Klimawandel und hohen Betriebskosten wird Nachhaltigkeit zunehmend zum Thema.

Der neue Eisring Süd macht es vor: Im Zuge der Sanierung wurden nicht nur die in die Jahre gekommenen Anlagen mit einer Eisfläche von insgesamt 3600 Quadratmetern in der Halle und im Freien auf den neuesten technischen Stand gebracht und die Sport- und Funhalle neu errichtet. Nun sorgt auch ein innovatives Energiekonzept für Nachhaltigkeit: „Die Abwärme aus dem Eisaufbereitungsprozess wird zu hundert Prozent für Raumheizung und Warmwasserbereitung verwendet. Das spart jährlich bis zu 226 Tonnen CO2-Äquivalente, was wiederum mehr als 1,1 Millionen Pkw-Kilometern entspricht“, versichert Harald Fux, Geschäftsführer von Raumkunst ZT und Vorsitzender der IAKS (International Association for Sports and Leisure Facilities) Österreich.

Herausforderung Sanierung

Ebenfalls genützt werde die Kälte des Eises, ergänzt Harald Kuster von Future is Now Energielösungen. „Die Splitter, die beim Abschleifen anfallen, werden gelagert und zur Vorkühlung des Kältesystems verwendet.“ Dank des ausgefeilten Energiekonzepts konnten der Energieverbrauch und damit die Betriebskosten deutlich gesenkt werden. „Bei der Erzeugung von Eis entsteht unendlich viel Abwärme, die früher übers Dach abgeführt wurde. Jetzt wird viel weniger Abwärme abgegeben, was dazu führt, dass sich die Umgebung weniger erwärmt“, so Kuster.

Wie beim Eisring Süd wird auch bei anderen Sportstätten Nachhaltigkeit zunehmend großgeschrieben. Regenerative Energiequellen, Fotovoltaikanlagen und Konzepte, etwa zur Nutzung der Abwärme von Sportlern und Zuschauern, sind immer öfter zu finden. „Es gibt bereits Sportstätten, die mehr Energie liefern, als sie benötigen“, weiß Kuster. Nicht nur im Neubau wird Nachhaltigkeit zunehmend zum Thema, sondern auch in der Sanierung. „Bei solchen sind die Möglichkeiten aber häufig beschränkt“, gibt Fux zu bedenken. „Manchmal gibt es beispielsweise bei Dächern Einschränkungen durch die Statik.“ Werden alte Sportstätten saniert, sollte man jedenfalls vorab die größten Energieverbraucher eruieren und an diesen Hebeln ansetzen. „Meist sind es ein ineffizientes Heizungs- und Lüftungssystem sowie die Beleuchtung“, weiß der Architekt. Würden diese entsprechend erneuert, seien Energieeinsparungen von 50 bis 70 Prozent möglich. „Nicht jede Sportstätte muss im High-End-Standard glänzen. Man braucht nicht immer dreifach verglaste Fenster oder die optimale Wärmedämmfassade“, betont Fux.

Heterogenität berücksichtigen

Auch Karin Schwarz-Viechtbauer, Geschäftsführerin des Österreichischen Instituts für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS), ist überzeugt davon, dass Sportstätten nicht über einen Kamm geschoren werden können, selbst wenn es hinsichtlich Licht, Lüftung und Klimaanlagen gewisse Ähnlichkeiten gibt. „Aber Sportstätten sind von der Typologie und der Sportart her unterschiedlich: Eine multifunktionale wie die Sportarena Wien ist nicht das Gleiche wie eine Umkleidekabine bei einem Fußballplatz auf dem Land, eine Skiarena etwas anderes als ein Hallenbad“, sagt sie. Grundsätzlich führe aber auch bei Sportstätten kein Weg an der Nachhaltigkeit vorbei. „Sie tragen wie alle anderen baulichen Infrastrukturen Verantwortung im Hinblick auf unsere Zukunft“, betont die ÖISS-Geschäftsführerin.

Angesichts ihrer Heterogenität sei aber bei der Planung von Neubauten oder Sanierungen entsprechende Expertise unbedingt notwendig. „Ein Flutlicht auf LED umzustellen spart zwar viel Energie. Aber in Hinblick auf die Blendung ergeben sich dadurch neue Herausforderungen: Daheim muss ich nicht direkt in meine Wohnzimmerlampe schauen, aber als Spieler beim Volleyball lässt sich das meist nicht vermeiden“, meint die Expertin, die gleichzeitig daran erinnert, dass auch andere Außenanlagen in die Nachhaltigkeitsüberlegungen einbezogen werden sollten. „Denken Sie nur an die Kunststoffrasenbeläge für Fußballplätze. Ein wichtiges Thema dabei ist Mikroplastik, etwa die Frage, was davon in den Boden sickert.“

Vorreiter Amsterdam

Als internationales Vorzeigeprojekt in Sachen Nachhaltigkeit gilt die Johan Cruijff Arena in Amsterdam. Diese wurde in ein Gesamtkonzept eingebettet, welches das Fußballstadion als Teil des Ökosystems der Stadt begreift. So ist das Stadion neben den ökologischen Investitionen direkt in die Infrastruktur mit lokalen Unternehmen und Start-ups eingebunden. Damit folgt man den UN Sustainable Development Goals, die eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit erfordern, die sich auf das soziale Klima positiv auswirkt. Künftig soll der soziale Bereich ausgeweitet werden, indem man etwa Arbeitsplätze für Menschen mit schwierigem Zugang zum Arbeitsmarkt schafft.

DATEN & FAKTEN

Die Anzahl der österreichischen Sportstätten ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen. Die Zahl der Turnhallen etwa hat sich seit 1966 von 1742 auf knapp 5000 erhöht, die Zahl der Freianlagen mit aktuell über 3500 mehr als verdoppelt. Viele davon sind in die Jahre gekommen und müssen erneuert und saniert werden. Kommunale Sportanlagen können dabei bis zu 50 Prozent an Bundesförderung in Anspruch nehmen, wenn sie mindestens dem Klima:aktiv-Standard „Silber“ entsprechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2021)

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