Gewässerökologie

Was Algen und Plankton in den Seen der Alpen alles aufnehmen

Die 400-Liter-Behälter heißen Mesokosmen: Darin kann man Veränderungen analysieren.
Die 400-Liter-Behälter heißen Mesokosmen: Darin kann man Veränderungen analysieren.WasserCluster Lunz
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Als Folge des Klimawandels steigen nicht nur die Temperaturen, sondern auch die „Bräunung“ der Gewässer, wenn Starkregen mehr Kohlenstoff einschwemmt. Am WasserCluster Lunz wurde gezeigt, dass dadurch mehr Quecksilber in unsere Nahrungskette gelangt.

Aus der Vergangenheit weiß man, wie schädlich sich Quecksilberbelastungen auf die Umwelt auswirken, aber wie sieht es in der Zukunft aus? Dieser Frage gingen Forscherinnen und Forscher des WasserClusters Lunz auf den Grund, und zwar mit einer aufwendigen Experimentserie: 24 spezielle 400-Liter-Behälter, die großen Regentonnen ähneln, wurden mit Wasser des Lunzer Sees gefüllt und unterschiedlich behandelt. Während die Kontrollgruppe im Jetzt-Zustand gehalten wurde, erlebten die anderen Fässer eine Reise in die Zukunft.

Einige wurden erhöhten Wassertemperaturen ausgesetzt, wie sie in Zeiten der Klimaerwärmung zu erwarten sind. Die restlichen wurden „gebräunt“. So nennt man den erhöhten Eintrag von Kohlenstoff, der durch zunehmende starke Niederschläge prognostiziert wird. „Wir wissen aus Ländern des Nordens wie Kanada, Skandinavien und Russland, wie sich die Quecksilberverhältnisse in Regionen ohne hohe Berge auswirken“, sagt Projektleiter Martin Kainz von der Donau-Uni Krems. In den Nordregionen sind die Böden sehr tief und reichhaltig, dort führen Starkregen und Schnee zu hohem Kohlenstoff-Eintrag bzw. zu starker Bräunung der eher flachen Seen. „Unsere Frage war: Wie verhält es sich in alpinen und subalpinen Regionen mit tiefen Seen und dünneren Bodenschichten, wo weniger Bräunung zu finden ist?“, sagt Kainz.

Dazu muss zuerst erklärt werden, woher das viele Quecksilber stammt, das in die Böden, Gewässer und von dort in unsere Nahrungskette kommt. Quecksilber ist flüchtig, gelangt vor allem durch von Menschen verursachte Emissionen in die Atmosphäre und setzt sich durch Niederschläge ab. „Regenwasser, das auf den Boden fällt, nimmt auf seiner Reise jede Menge Schadstoffe und auch Kohlenstoff mit, die schlussendlich in den Gewässern landen“, erklärt Kainz. Auf diesem Weg wird das anorganische Quecksilber aus der Luft umgewandelt in organisches Quecksilber, das wegen seiner zusätzlichen Methylgruppe auch Methylquecksilber genannt wird – und für unsere Nervenzellen giftig wirkt. Je mehr Methylquecksilber in die Gewässer eingespült wird, umso mehr nehmen die Algen und das Zooplankton auf, wie der tierische Anteil des Planktons genannt wird. Über sie gelangt es in die Fische und über diese in uns Menschen.

Das Team des WasserClusters Lunz zeigte mit Kollegen aus Schweden in Nature Scientific Reports erstmals, wie viel Quecksilber in alpinen Regionen in die Algen und das Zooplankton gelangt, wenn sich die Umweltbedingungen so ändern, wie es durch den Klimawandel zu erwarten ist. „Erstaunlicherweise wirkte die erhöhte Bräunung stärker auf die Quecksilbereinlagerung in die Nahrungskette als eine Erhöhung der Wassertemperatur“, sagt Kainz.

Doch Omega-3-Fettsäuren nehmen ab

Die Algen, unterste Basis der Nahrungskette, nahmen sowohl in der Versuchsanordnung mit gesteigertem Kohlenstoff-Eintrag mehr Methylquecksilber auf als auch bei der um drei Grad höheren Wassertemperatur. Doch das Zooplankton, eine Stufe höher in der Kette des Fressen-und-gefressen-Werdens, reagierte auf die Temperatur weniger, sondern lagerte eher im gebräunten Gewässer mehr Schadstoffe ein.

„Wir wollten auch die andere Seite der Medaille untersuchen“, sagt Kainz. Also nicht nur die schädlichen Inhaltsstoffe in Algen und Zooplankton, sondern auch positive. Das sind etwa Omega-3-Fettsäuren, die sowohl bei Fischen als auch im Menschen zur Entwicklung des Gehirns, der Augen und der Geschlechtsorgane essenziell sind.

„Hier zeigte sich auch, dass der Anstieg der Temperatur nicht so dramatisch auf die Aufnahme der Omega-3-Fettsäuren wirkt, aber die Bräunung der Gewässer sehr wohl“, so Kainz. Durch zunehmenden Kohlenstoff-Eintrag werden die Gewässer dunkler, was die Fotosynthese hemmt und sich schlecht auf die Produktion der guten Inhaltsstoffe auswirkt. „Die Algen konnten auch weniger Lipide, also weniger Energie in die Nahrungskette einbringen“, sagt Kainz. Gesamtheitlich gesehen sollten uns bei Folgen des Klimawandels in Alpenregionen also nicht nur die steigenden Wassertemperaturen Sorgen machen, sondern auch die stärkere Bräunung der Gewässer durch die zunehmenden Starkniederschläge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2021)

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