Verschärfungen

Ein Gipfel für die Ungeimpften

Die (vorwiegend männliche) Verhandlungsrunde im Kanzleramt.
Die (vorwiegend männliche) Verhandlungsrunde im Kanzleramt.APA/HERBERT NEUBAUER
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Freitagabend brauchte es keine düsteren Prognosen: Im Kanzleramt war schnell klar, dass Verschärfungen kommen müssen. Experten berichteten von der Stimmung in Spitälern. Die Frage war nur, wie man Ungeimpfte überzeugen sollte.

Am Tag danach berichteten Anwesende meistens von einem kleinen Wortgefecht. Irgendjemand tauschte immer Unfreundlichkeiten aus – manchmal waren es die Koalitionspartner, öfters aber Bund und Länder. Einmal sollen der damalige Bundeskanzler, Sebastian Kurz, und sein Parteikollege aus Oberösterreich Thomas Stelzer aneinander geraten sein. An diesem Freitagabend im Bundeskanzleramt sei es anders gewesen. Recht harmonisch war die Krisensitzung, als Bund und Länder über neue Maßnahmen verhandelten.

Dieses Mal ging es aber nicht um dunkle Prognosen für die ferne Zukunft, zumindest nicht nur. Die aktuellen Zahlen reichten schon: 9388 Neuinfektionen wurden am Freitag gemeldet. 356 Menschen lagen auf einer Intensivstation. Oswald Wagner von der Medizinischen Uni Wien und Katharina Reich, Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, erzählten von der Stimmung vom Personal in den Krankenhäusern. „Danach war es kurz ruhig“, erzählt ein Anwesender. Am Samstag spitzte sich die Lage sogar noch weiter zu: 9943 neue Fälle wurden gemeldet – so viele wie noch nie an einem Tag seit Beginn der Pandemie. Dass Verschärfungen kommen, war also allen Beteiligten klar. Die Frage war nur, wie weit sie gehen sollten.


Vorschlag vom Bund. Kanzler Alexander Schallenberg – und hier kam doch noch etwas Kritik auf – legte schon eine deutliche Antwort vor: Der Druck auf Menschen, die nicht geimpft sind, sollte erhöht werden. Lockdown wollte man es nicht nennen, aber das gesellschaftliche Leben dieser Gruppe müsse deutlich eingeschränkt werden.

2-G müsse schon kommende Woche flächendeckend in ganz Österreich eingeführt werden. So kam es dann auch: Nächste Woche sind Gastronomie, Hotellerie, der Kulturbereich und Veranstaltungen ab 25 Menschen nur noch für Geimpfte und Genesene zugänglich. Auch Pflegeheime und Krankenhäuser sind nur für Besucher mit einem solchen Nachweis zugänglich. Ausnahmen gelten immer für Kinder unter zwölf Jahren oder Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) richtete seine Bedenken dazu via Videokonferenz aus. Er hatte dem Burgenland ab einer bestimmten Durchimpfungsrate Lockerungen in Aussicht gestellt. Die Quote wurde erreicht – nun sollte es zumindest keine Verschärfungen geben. Aus anderen Richtungen argumentierte man: 2-G würde ohnehin Regionen mit niedrigerer Impfquote härter treffen – wie zum Beispiel Oberösterreich.

Hinterfragt wurde dem Vernehmen nach, ob die Maßnahmen Impfskeptiker überzeugen würden. Und ob nicht positive Anreize die Menschen eher motivieren. Auch Kinder ungeimpfter Eltern würde man vom sozialen Leben ausschließen. Nichtgeimpfte könnten gefährliche Garagenpartys feiern. 2,5-G – also neben Impfung und Genesung auch PCR-Tests als Nachweis zu erlauben – wurde als Vorschlag in die Runde eingebracht. Es kam nicht dazu.

Eine kleine Motivation beschloss man dann aber trotzdem: Denn eigentlich ist der Grüne Pass nur ab dem Zweitstich gültig (eine Ausnahme ist Johnson & Johnson, allerdings nur noch bis Ende des Jahres). Ab Montag gilt eine Übergangsfrist von vier Wochen: Menschen, die sich jetzt impfen lassen, können die 2-G-Bereiche nutzen – wenn sie zusätzlich einen negativen PCR-Test vorweisen. Nach einem Monat läuft die Frist aus. Und die Ankündigung könnte bereits Wirkung gezeigt haben: Wien und Niederösterreich berichten schon von einem größeren Andrang bei den Impfzentren.

Einen Wunsch – oder eher eine Mahnung – sollen die Bundesländer doch noch in Richtung Regierung ausgesprochen haben. Man müsse nun endlich der Bevölkerung einen Brief schreiben und ihr ein Impfangebot machen. Auch an die Drittimpfung solle man die Menschen schriftlich erinnern.

In diesem Bereich gibt es auch noch Verschärfungen: Der Grüne Pass gilt nur noch neun Monate ab der zweiten Impfung. Danach ist ein dritter Stich nötig – so will die Regierung sichergehen, dass sich die Menschen die nötige dritte Dosis holen.

3-G am Arbeitsplatz. Andere, nämlich viel lockerere Regeln herrschen übrigens weiterhin am Arbeitsplatz: Dort gilt weiterhin 3-G. Wer beruflich Kontakt zu anderen hat, darf also auch einen Tests als Nachweis vorlegen. Solang die PCR-Testkapazitäten in Österreich nicht ausgebaut sind, werden auch Antigen-Tests akzeptiert. Kärntens Landeshauptmann, Peter Kaiser (SPÖ), plädierte dafür, den Ländern mehr Zeit für ein PCR-Testangebot zu geben.

Bei einer Maßnahme waren sich ohnehin alle einig, dass sie umgesetzt werden müsste: eine FFP2-Maskenpflicht, und zwar nicht nur in Supermärkten und Apotheken. In der Vergangenheit habe sich vor allem Ex-Kanzler Kurz dagegen gewehrt, hieß es. Ab Montag tritt die Regel im gesamten Handel in ganz Österreich in Kraft. Ab diesem Tag werden dafür keine Ausreisekontrollen mehr gelten. Virologisch seien sie ohnehin nicht mehr so sinnvoll, hieß es am Freitagabend. Mittlerweile würden sich mehrere Hochinzidenzgebiete aneinanderreihen. Das Personal brauche man nun an anderen Stellen: um die neuen Verschärfungen zu kontrollieren.

Neue Regeln

2-G. Die Hotellerie, Gastro, Sport und Kultur sind ab Montag nur für Geimpfte und Genesene (die Infektion darf nicht länger als sechs Monate her sein) zugänglich.

Grüner Pass. Vier Wochen lang wird noch der Erststich im 2-G-Bereich akzeptiert – kombiniert mit einem PCR-Test. Danach gelten nur zwei Stiche als Nachweis.

3-G. Am Arbeitsplatz werden (Antigen-)Tests weiterhin akzeptiert.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2021)

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