Glaubensfrage

Was Sebastian Kurz und Christoph Schönborn gemeinsam haben

APA/BARBARA GINDL
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Warum es besonders in Zeiten der Pandemie klare Worte und Entscheidungen braucht – statt Augen zu verschließen, Nichtstun und Herumlavieren.

Man muss nicht übertreiben. Aber fast könnte schon von Phantomschmerzen gesprochen werden. Sebastian Kurz hat es verstanden zu kommunizieren. Genau das ist derzeit beim politischen Handling der Pandemie durch die eigentlich dazu berufenen politisch Verantwortlichen so augenscheinlich zu vermissen – vom Bund über die Bundesländer, mit der großen Ausnahme Wien unter Michael Ludwig! – bis zu Corona-Leugnern oder -Verharmlosern als Bürgermeistern.

Auch wenn sich jetzt alle Beteiligten spät, zu spät zu einem De-facto-Lockdown für Ungeimpfte durchgerungen haben. Die politischen Gegner von Sebastian Kurz haben Kritik an Art, Anzahl und Aussagen der Regierungs-Pressekonferenzen geübt. Sein Kurs in der Pandemie war alles andere als geradlinig. Am Ende hat Sebastian Kurz deutlich die Zügel schleifen lassen. Das hat zur aktuellen Covid-Situation beigetragen. Aber er konnte den Eindruck vermitteln, sich dem Geschehen nicht auszuliefern, gegensteuern zu wollen, die Menschen überzeugen, mitnehmen zu wollen. Natürlich hat sich auch mancher dieser Wege als eine Sackgasse erwiesen. Nennen wir das Ganze Politik.

Zuletzt mussten wir aber Zeugen werden, wie Politiker die Augen viel zu lange vor der sich unbarmherzig nach oben entwickelnden Kurve der Infektionsfälle verschlossen hatten. Taten sie das aus Furcht? Aus Unfähigkeit, Maßnahmen zu konzipieren und durchzusetzen? Oder gar in der so nie formulierten und öffentlich diskutierten Absicht, die vierte Welle einfach „durchlaufen“ zu lassen. Durch den vom grünen Koalitionspartner erzwungenen Abzug von Sebastian Kurz hat sich an der Spitze der Regierung unübersehbar ein Machtvakuum aufgetan. Wer jetzt und ob überhaupt jemand die Fäden in der Hand hält, weiß niemand so genau. Erst am Freitagabend war dann nach einem Treffen der Regierung mit den Landeshauptleuten so etwas wie ein spätes Aufbäumen zu erkennen.

Was Ex-Kanzler Sebastian Kurz mit Kardinal Christoph Schönborn verbindet? Auch der hat sich zurückgezogen von der Spitze der Bischofskonferenz. Selbstredend: kein Skandal, keine drohende Anklage waren Grund, sondern das Alter des Wiener Erzbischofs. Aber auch an der Spitze der Bischofskonferenz, die ab Montag tagt, gibt es so etwas wie ein Machtvakuum. Dabei gibt es in einem Punkt Kontinuität, im Reagieren auf die Pandemie. Während im staatlichen Bereich bis zuletzt ein Gewirr an Regeln verwirrt hat, herrscht in allen Kirchen aller Diözesen FFP-2-Maskenpflicht. Dass derartiges nicht von allen akzeptiert wird, dass die Zahl der Messbesucher weiter zurückgeht, ist auch wahr. Aber eine andere Geschichte.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2021)

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