Leitartikel

Schluss mit dem Jammern, Kostenwahrheit ist gefragt

Frau vor Protestplakat in Glasgow
Frau vor Protestplakat in GlasgowImago
  • Drucken

Bei der Klimakonferenz in Glasgow werden großen Worten kleinere Taten folgen. Dabei genügte es, den Grundsatz der Kostenwahrheit hochzuhalten.

Es ist ein alltäglicher Vorgang, der sich Hunderttausende Male im Jahr wiederholt: Ein Fahrzeug wird angemeldet und die dazu erforderliche Versicherung vorgelegt. Losfahren darf nur, wer für die Haftpflicht gesorgt hat. Wenn es kracht – und es kracht jährlich über 200.000-mal –, dann übernehmen die Schuldtragenden die Folgen. Niemanden stört, dass die Deckungssumme je Vertrag bei kräftigen 7,6 bis 30 Millionen Euro liegt, obwohl die meisten Blechschäden mit deutlich weniger Geld ausgeglichen werden können.

Dieser Vorgang ist so selbstverständlich, dass man ihn eigentlich gar nicht zu erwähnen braucht. Er wäre schlichtweg nicht der Rede wert, wenn es nicht auch Bereiche gäbe, in denen dieses Grundprinzip – dieses „Prinzip Verantwortung“ – außer Kraft gesetzt wird. Zum Beispiel dann, wenn im Spiel ist, was wir gern „Umwelt“ nennen.


In der Vergangenheit haben sich zwei Zugänge zu dem Thema verfestigt. Der erste: Es wird ignoriert, dass da irgend etwas in die Luft, ins Wasser oder in den Boden gelangt, was dort nichts verloren hat, jedenfalls nicht in der konkreten Zusammensetzung und Konzentration. Das geht so lang gut, solang es niemandem auffällt oder sich niemand aufregt. Ist dieser Punkt überschritten, dann öffnet sich der zweite Zugang: Bei der Behebung der Umweltschäden wird häufig die Gemeinschaft aller in die Pflicht gerufen. Ökonomen bezeichnen dies als Sozialisierung der Folgekosten.

Und damit sind wir inmitten der Verhandlungen bei der 26. Klimakonferenz in Glasgow. Wir erleben – wie so oft bei derartigen Konferenzen – ein erbittertes Feilschen um jedes Wort, ein Hin und Her von Text-Wüsten voller eckiger Klammern, inoffizieller Entwürfe, „Non-Papers“ und weniger offizieller Papiere mit verdünntem Inhalt. Die einfache Frage, die entzweit, lautet: „Wer zahlt?“

Das bleibt nur deshalb so lang unbeantwortet, weil die Haftpflicht wenig ausgeprägt und oft bis zur Unmerklichkeit verwässert ist. Ein gutes Beispiel dafür liefern die mageren internationalen Protokolle, die regeln, wie nach einem Unfall in einem Atomkraftwerk Schadenersatzansprüche abzuwickeln sind.

Und nicht selten wird auch einfach die Allgemeinheit zur Kasse gebeten – etwa wenn es darum geht, Filtertechnologien zu fördern. Nichts gegen Förderungen, aber sie müssen mit Verpflichtungen verknüpft werden, nicht weiterzumachen wie bisher, sondern sich verstärkt der Nachhaltigkeit zu verschreiben. Vielleicht auch mit der Vorgabe, die Förderungen zurückzuzahlen.

Derartige Mechanismen sind wenig ausgeprägt und bleiben deshalb auch auf der internationalen Bühne holprig. Und je konkreter ein Thema wird, desto steiniger ist der Weg, um dabei zu einer Zuordnung der Verantwortlichkeit zu kommen. In der Öffentlichkeit bleibt vor allem hängen, dass es um viel Geld geht, das sich die Nationalstaaten von jedem und jeder Einzelnen holen wollen, damit das Klima gerettet wird. Während sich die Verursacher zurücklehnen, wird auf Konferenzen um zusätzliche Milliarden gejammert, damit die Misere bewältigt werden kann.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Demo
Glasgow

Koalition der Engagierten, jetzt doch mit Österreich

Österreich ist bei einer „Koalition der Engagierten“ auf der Klimakonferenz nun doch dabei. Dies kündigte Umweltministerin Gewessler am Samstag an.
Kohleabbau in China.
Klimapolitik

Wie China sich aus der Verantwortung zieht

Staatschef Xi Jinping glänzt durch Abwesenheit, sein Land steigert erneut die Kohleproduktion. China enttäuscht beim Kampf gegen den Klimawandel – trotz ambitionierter Pläne.
COP26 in Glasgow
COP26

"Systemwandel, nicht Klimawandel": Globale Proteste zur Halbzeit in Glasgow

Mehr als 300 Aktionen gab es am Samstag rund um den Globus. In Glasgow gingen laut Angaben der Organisatoren 100.000 Menschen auf die Straße.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.