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Chips – das Gold des 21. Jahrhunderts

Milliardeninvestition in Österreich: die neue Infineon-Fabrik in Villach.
Milliardeninvestition in Österreich: die neue Infineon-Fabrik in Villach.Reuters
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Infineon ist der einzige europäische Halbleiter-Hersteller unter den Top Ten weltweit. Der Konzern profitiert von der enormen Nachfrage. Analysten heben allesamt den Daumen für die Aktie.

Wien. Es war nicht nur die größte Investition, die ein Konzern seit Langem in Österreich tätigte, es war auch die größte Investition in der Unternehmensgeschichte von Infineon: 1,6 Milliarden Euro pumpte der deutsche Halbleiterhersteller in ein neues Werk und ein Forschungszentrum am österreichischen Standort in Villach. Im Sommer 2020 wurde das Forschungszentrum eröffnet, heuer, Mitte September, öffnete das Hightech-Werk die Pforten.

Chips – wie die Halbleiter auch heißen – gehören derzeit zu den begehrtesten Gütern der Industrie, sie werden praktisch mit Gold aufgewogen. Ohne die winzigen Gehirne geht gar nichts, das moderne Leben, wie es schon ist, und erst recht wie es bald sein wird, ist ohne diese Bauteile undenkbar. Denn kein Auto, kein Smartphone, kein Laptop, kein Kühlschrank und kein Bankomat funktioniert ohne die Halbleiter.

Welt leidet unter Chipmangel

Seit Monaten steht die Branche deshalb Kopf: Die den Trends zur Digitalisierung, Elektrifizierung und Vernetzung geschuldete und stark steigende Nachfrage nach Chips traf in der Pandemie auf Produktionsausfälle, da die Herstellung der Halbleiter kompliziert und langwierig ist und sie nicht lang auf Vorrat produziert werden können. Ein weltweiter Chipmangel ist die Folge, worunter wiederum viele Industriezweige, allen voran die Autoproduzenten, leiden.

Infineon, der einzige europäische Chiphersteller unter den globalen Top Ten (der Rest befindet sich in Asien), profitiert von dieser Situation. Trotz der Lieferkettenprobleme dürfte der Konzern mit seinen 46.700 Mitarbeitern, der mit dem ehemaligen Voestalpine-Boss Wolfgang Eder als Aufsichtsratspräsidenten einen weiteren starken Österreich-Konnex hat, die recht optimistischen Vorgaben für das soeben abgeschlossene Geschäftsjahr 2020/21 erreicht haben. Der Umsatz dürfte bei rund elf Milliarden Euro liegen, die Segmentergebnis-Marge bei 18 Prozent. Mit einer Dividende von 27 Cent will der Konzern auch auf das Vor-Covid-Niveau zurückkehren.

Für das kommende Geschäftsjahr 2021/22 legt Konzernchef Reinhard Ploss noch eins drauf: Beim Kapitalmarkttag Anfang Oktober prognostizierte er ein Umsatzwachstum im mittleren Zehnerprozentbereich. Die Marge soll rund 20 Prozent erreichen. Und die Investitionen werden von heuer 1,6 auf 2,4 Milliarden Euro noch einmal deutlich nach oben geschraubt. Gut 13 Prozent des Umsatzes fließen in Forschung und Entwicklung, die Innovationsstärke spiegeln auch die knapp 30.000 Patente wider.

Umsatz soll steigen

„Das Jahr 2022 wird ein starkes Jahr“, sagte Ploss, der eher für seine konservativen Aussagen zum Geschäftsverlauf bekannt ist. Der Vorstandsvorsitzende dürfte dabei aber auch die Prognosen für den globalen Chipmarkt im Kopf gehabt haben: Demnach soll der Umsatz weltweit heuer um 20 Prozent auf 530 Milliarden Dollar wachsen, für 2022 werden knapp 600 Milliarden prognostiziert.

Vielversprechende Übernahme

Die positiv überraschten Analysten zögerten nicht lang und revidierten ihre Schätzungen nach oben. Das durchschnittliche Kursziel für die Infineon-Aktie liegt nun bei 42,25 Euro, wobei Exane BNP Paribas und Oddo BHF mit 48 Euro am oberen Ende liegen.

Die Deutsche Bank hat das Kursziel beispielsweise von 42 auf 43 Euro angehoben, diese Marke sehen auch die Credit Suisse, Barclays sowie die DZ Bank. Bei 45 Euro setzen Goldman Sachs und UBS das Kursziel an. So gut wie alle Analysten heben den Daumen und sprechen eine Kaufempfehlung aus. Die Aktie kostet derzeit rund 42 Euro.

Goldman Sachs hebt dabei auch die langfristig guten Aussichten hervor: Infineon habe das langfristige Ziel eines Umsatzes von über 16 Milliarden Euro bis 2025 bekräftigt, schreibt Analyst Alexander Duval. In der Umsatzprognose seien dann auch die Synergien aus der Übernahme des US-Unternehmens Cypress enthalten.

Die neun Milliarden Euro schwere Akquisition im Vorjahr war die größte in der Firmengeschichte von Infineon. Diese begann 1999 als Spin-off, wenn man so will. Der deutsche Technologiemulti Siemens gliederte die Halbleitersparte aus und brachte sie an die Börse, weil er den enormen Kapitalbedarf für diese Industrie nicht selbst stemmen wollte und konnte. In der Folge gliederte Infineon die Speichersparte aus (Qimonda wurde 2009 insolvent), dafür wurde die Chipproduktion durch Zukäufe gestärkt. 2014 wurde International Rectifier, 2016 Innoluce übernommen. Nicht genehmigt wurde der Kauf von Wolfspeed.

Schöner Kursanstieg

Energieeffizienz, Mobilität und Sicherheit sind die Schwerpunkte, auf die sich Infineon bei der Produktentwicklung fokussiert. Eingesetzt werden die Chips unter anderem in Autos, PCs, Mobiltelefonen (SIM-Karten), bei Ausweisen, Kredit- und EC-Karten, in Beleuchtungs- und Haushaltsgeräten sowie bei Steuerungssystemen, etwa von elektrischen Anlagen.

Anleger haben in den vergangenen Jahren jedenfalls nicht viel falsch gemacht, wenn sie auf Infineon gesetzt haben. Das Papier hat, abgesehen von den üblichen Rücksetzern, kontinuierlich zugelegt. Seit Jahresbeginn hat sich die Aktie um über 30 Prozent verteuert, in den vergangenen zwölf Monaten betrug das Plus rund 60 Prozent. Noch steiler ist die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre. Da heißt es: plus 174 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2021)

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