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Manche Konflikte müssen einfach ausgetragen werden

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Aus Angst vor den möglichen Konsequenzen werden die meisten Auseinandersetzungen gemieden. „Der Klügere gibt nach" ist aber ein Konzept, mit dem nicht alle etwas anfangen können.

Es gibt da diese Szene in dem Film „Fight Club“ (1999), der vor ein paar Tagen wieder im Fernsehen lief. Männern, die dem Fight Club beitreten wollen, wird aufgetragen, in der Öffentlichkeit mit der nächstbesten Person einen Kampf zu beginnen – und ihn zu verlieren. Die Herausforderung besteht also darin, jemanden so lang zu provozieren, bis er sich wehrt und zuschlägt. Denn, so Brad Pitt alias Tyler Durden, die meisten Menschen würden Konfrontationen aus dem Weg gehen. Selbst dann, wenn sie eindeutig im Recht sind. Unvergessen ist sein legendärer Satz: „Wer neu ist im Fight Club, muss kämpfen.“

Diese Aussage gehört zu den stärksten in dem vor Gesellschaftskritik triefenden Meisterwerk von Regisseur David Fincher. Dabei ist der Faustkampf natürlich nur eine Metapher für ein generelles Phänomen, nämlich die mangelnde Wehrhaftigkeit gegenüber Respektlosigkeiten. Denn egal, ob sich jemand an der Kassa im Supermarkt vordrängt, einem in der Straßenbahn vor der Nase einen Sitzplatz wegschnappt, auf der Rolltreppe rüpelhaft vor ihm Stehende anrempelt und zur Seite drängt, im Büro regelmäßig Autoritäten untergräbt und Kollegen auf subtile Weise sexistisch, rassistisch, antisemitisch oder homophob beleidigt – viele sehen drüber hinweg, schlucken die Schmach runter und meiden Konflikte, anstatt sie mit angemessenen Mitteln auszutragen. Wohl aus Angst davor, als Verlierer aus der Auseinandersetzung hervorzugehen und gekränkt, bloßgestellt oder sogar körperlich verletzt zu werden.

Ein nachvollziehbarer, erwachsener, durch und durch vernünftiger Standpunkt. Aber nicht der einzige. Manche Schlachten müssen einfach geschlagen werden. Ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Ohne Fangnetz und doppelten Boden. Denn für einige von uns kann keine Bloßstellung, Kränkung oder lebensgefährliche Verletzung nach einem verlorenen Kampf so schmerzhaft sein wie das Gefühl, ihn aus Angst vor einer Niederlage nicht ausgefochten zu haben.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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