Entscheidung

„Künstlerische Intervention“ für umstrittenes Lueger-Denkmal

Die Presse/Clemens Fabry
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Das Denkmal für den früheren Wiener Bürgermeister Karl Lueger, der auch glühender Antisemit war, wird umgestaltet. Details gibt es noch nicht, die Umsetzung soll 2023 kommen.

Die Stadt hat eine Grundsatzentscheidung getroffen, wie es mit der umstrittenen Statue für den früheren Wiener Bürgermeister und bekennenden Antisemiten Karl Lueger (1844-1910) weitergehen soll. Demnach wird es eine „künstlerische Kontextualisierung“ geben, erklärte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler nun in einem Kolloquium zum Lueger-Denkmal. Die Ausschreibung für diese künstlerische Intervention ist bereits in Vorbereitung.

„Schande“

Das insgesamt 20 Meter hohe Denkmal mit einer vier Meter hohen Bronzefigur Luegers am Wiener Stubentor wurde 1926 errichtet und sorgt seit Jahren für Debatten. Immer wieder wurde von Kritikern eine Umgestaltung oder Entfernung gefordert. Seit dem Vorjahr ist das umstrittene Bauwerk mit dem Wort „Schande“ besprüht. Kaup-Hasler hatte im Mai zu einem Runden Tisch geladen, um die unterschiedlichen Positionen zusammenzuführen.

„Interessant war, dass am Ende klar wurde, dass die Extrempositionen nicht möglich sind“, erklärte Kaup-Hasler. Den „Vertretern der Cancel Culture“ sei klar geworden, „dass es nicht zum Ziel führt, das Denkmal einfach wegzuräumen“. Das decke sich mit ihrer Haltung, so die Stadträtin: „Wir dürfen nicht alles, was uns stört aus der Geschichte der Stadt – die auch eine schuldbeladene, eine leidvolle ist – aus der Öffentlichkeit räumen.“

„Können nicht auf dem Ist-Zustand beharren"

Jene, die am anderen Ende des Meinungsspektrums stehen und somit eine konservative, erhaltende Position einnehmen, hätten zugleich verstanden: „Wir können nicht auf dem Ist-Zustand beharren.“ Daher geht die Kulturstadträtin, in Absprache mit Bürgermeister Michael Ludwig, den Weg der künstlerischen Kontextualisierung. Wie diese aussehen wird, ist noch völlig offen. Die entsprechende Ausschreibung, die vom stadteigenen KÖR (Kunst im öffentlichen Raum) abgewickelt wird, wird gerade erarbeitet und voraussichtlich erst im Herbst 2022 fertig sein.

Kaup-Hasler rechnet damit, dass im Laufe des Jahres 2023 das Siegerprojekt von einer noch zu besetzenden „hochkarätigen Jury“ prämiert wird, und danach mit der Umsetzung begonnen werden kann. Einen Kostenrahmen gibt es noch nicht. Auch ist noch offen, ob ein offener oder geladener Wettbewerb ausgelobt wird.

Lange Vorlaufzeit

Warum aber die lange Vorlaufzeit? Es müssten einerseits die technischen Voraussetzungen genau geklärt werden, erklärte die Stadträtin. Das betrifft nicht nur etwa Fragen der Statik – unter dem Denkmalstandort verläuft die U-Bahn –, sondern vor allem, welche Art von Eingriffen im Einklang mit dem Denkmalschutz stehen. Von diesem Ergebnis hänge auch ab, ob und inwiefern Sockel und Statue selbst bei einer künstlerischen Umgestaltung des Komplexes angegriffen werden dürfen. Die Prüfung müsse penibel erfolgen, so Kaup-Hasler: „Sonst würden wir zig Einreichungen bekommen, die technisch nicht umsetzbar wären“.

Andererseits brauche es wissenschaftliche Vorarbeiten, die demnächst beauftragt werden und ebenfalls in die Ausschreibung einfließen sollen, wie es die Kulturstadträtin formulierte. Dabei gehe es nicht nur um die prägnante Herausarbeitung der Ambivalenz der Person Lueger – kommunalpolitische Verdienste versus Wegbereiter des Antisemitismus –, sondern auch um eine Art kulturphilosophischen Leitfaden für eine zeitgemäße Erinnerungskultur.

„Internationaler Prototyp"

Der gesamte Prozess soll möglichst breit aufgestellt werden und Kaup-Hasler zufolge ein internationaler Prototyp dafür sein, „wie eine Stadt mit so einem Denkmal umgehen kann“.

Bis es an die Umsetzung geht, ist für Kaup-Hasler eine Art künstlerische Zwischennutzung am Standort denkbar. Man überlege, über den KÖR ein bis zwei temporäre Projekte auszuloben.

Der „Schande“-Schriftzug wird vorerst weiter am Denkmal prangen – nicht zuletzt aus pragmatischen Gründen. Eine chemische Reinigung würde nur die ohnehin schon angegriffene Sockelsubstanz weiter beschädigen, und „ich habe keine Lust, Steuergeld zu verschwenden, dass wir es putzen, sanieren und zwei Tage später ist es wieder beschmiert“, erklärte die Kulturstadträtin, die ihre Pläne am Sonntagabend, im Rahmen eines Kolloquiums zum Thema Lueger-Denkmal, vorstellte – das Kolloquium wurde von Licra Österreich (Liga gegen Rassismus und Antisemitismus) organisiert. (red.)

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