Meine Freundinnen sind zum Beispiel kreative Strickerinnen, Lampendesignerinnen oder Köchinnen. Ich bin kreative Fliegentöterin.
Jeder Mensch ist kreativ. Sicher, es ist nicht jeder ein Erfinder oder Entdecker. Und es kann auch nicht jeder seine Kreativität in der Arbeit ausleben. Laut Jobbeschreibung vielleicht schon, aber jeder, der es schon einmal probiert hat, weiß, dass das nicht so unbedingt wörtlich gemeint ist. Die meisten Menschen lieben ja keine Veränderungen. Da sind Chefs auch keine Ausnahme. Aber wir können anderswo kreativ sein.
Meine Freundinnen sind zum Beispiel kreative Strickerinnen, Lampendesignerinnen oder Köchinnen. Ich bin kreative Fliegentöterin. Das klingt grausam, aber wenn man neben einem Park wohnt, ist das reine Selbstverteidigung. Kurz, schmerzlos und schnell soll es gehen, sage ich mir. Davon haben beide Seiten etwas. „Ich habe die perfekte Methode entwickelt“, erkläre ich neulich meiner Mutter und schiele auf ihre altväterische Fliegenklatsche. „Man muss die Waffe an die Unterlage anpassen. Für die Couch ein Clipbrett, für Tisch und Kastln eine Zeitung und für alles andere das Geschirrtuch.“ „Und das funktioniert?“, fragt meine Mutter. „Nicht immer“, sage ich, „aber oft.“ Zuhause entdecke ich eine Fliegenklatsche im Koffer. Na gut, ausprobieren kann man sie einmal. Sie liegt ganz gut in der Hand. Fest und gleichzeitig elastisch. Beim ersten Versuch treffe ich sofort. Das wird eine Eintagsfliege gewesen sein. Beim zweiten Versuch treffe ich allerdings auch. Ebenso beim dritten, vierten und fünften. Die Fliegen fallen einfach tot um und hinterlassen nicht einmal Blutspuren.
Beim Fliegentöten sind Profis also die besseren Kreativen. Na, gut, dann suche ich mir eben ein neues Feld für meine Kreativität. Vielleicht sogar beim nächsten Meeting. Wenn ich nicht befürchten müsste, dass auch mein Chef eine Fliegenklatsche besitzt.
("Die Presse Schaufenster" vom 15.10.2021)