Die Ich-Pleite

Ein Mann wird es nicht sein

Carolina Frank
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Von der Dietrich blieb die Marlenehose. Von Jane Birkin die Tasche. Von Mao der Stehkragen. Alles nichts gegen das Merkel-Kostüm.

Wer sich für Mode interessiert, wird die scheidende deutsche Bundeskanzlerin schmerzlich vermissen. Ihr stets gleich bleibendes und sich doch in unendlichen Varianten veränderndes Kostüm hatte auf mich immer eine beruhigende Wirkung. Einem Kleidungsstück so sehr seinen Stempel aufzudrücken gelang nicht vielen vor ihr. Von der Dietrich blieb die Marlenehose. Von Jane Birkin die Tasche. Von Mao der Stehkragen. Alles nichts gegen das Merkel-Kostüm.

Für ihre Nachfolgerinnen wird es schwer sein, diese Lücke zu füllen. Zwar gibt es heutzutage viel mehr Frauen in wichtigen Funktionen. Aber kann eine von ihnen in puncto Style in Merkels Fußstapfen treten? Frau Baerbock trug im Wahlkampf hübsche Kleider, aber man hatte doch das Gefühl, das dahinterstehende Konzept schon einmal wo gelesen zu haben. Mehr Potenzial zur Stilikone hat schon die künftige Berliner Bürgermeisterin Giffey mit ihren parteibuchroten Kostümen plus blonder Hochsteckfrisur. Doch ob es zu einem Stern ganz oben im Modehimmel reichen wird? Sollte tatsächlich die stets schrill gemusterte Claudia Roth deutsche Bundespräsidentin werden, wäre natürlich ein vollkommen neues Zeitalter ausgerufen. Meine Geheimfavoritin ist aber die Grazer Wahlsiegerin Elke Kahr.

Wenn ich das nächste Mal Zweifel an der Höhe meiner Altbaumiete anmelde, werde ich jedenfalls meine Sehhilfe auch so schneidig ins Haar werfen. Dazu ein fast schon aristokratisches Strickjackerl (Earl of Cardigan 1797–1868) und ein praktisches Halstuch (Geschenkannahme?). Doch wer auch immer die Nase vorn haben wird – eines ist jetzt schon sicher. Ein Mann wird es nicht sein. Die dunkelblauen Anzüge sind natürlich auch Kleidungsstücke. Ich will sie nicht totschweigen. Sie sind mitgemeint. 

("Die Presse Schaufenster" vom 08.10.2021)

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