Der Winter droht davonzuschwimmen

Kunstschnee
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Während die Verhandlungen auf der Klimakonferenz in Glasgow läuft, bereiten sich Alpin-Touristiker auf die Winter-Saison vor. Sie wird immer schwieriger, auch ohne Corona.

Während die Verhandlungen auf der Klimakonferenz in Glasgow laufen, bereiten sich Alpin-Touristiker auf die Winter-Saison vor. Sie wird immer schwieriger - auch dann, wenn Corona einmal soweit unter Kontrolle sein sollte, dass die Pandemie keine Auswirkungen auf den Tourismus mehr hat.

Es geht um Milliarden: In der letzten vollen Saison vor Corona 2018/19 wurden im Tourismus, in der kalten Jahreszeit Einnahmen von 14,6 Milliarden € erzielt. Aber die Bilanz, die das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) erstellt hat, eröffnet auch diesen Satz: „Der April 2019 war im Vergleich zum langjährigen Mittel 1981/2010 um 1,5 Grad Celsius zu warm.“ Das wirft Schatten auf die Zukunft. Übrigens, der Vollständigkeit halber: Es war nur dem Umstand eines späten Schneefalls, der Ostern touristisch rettete, zu verdanken, dass die Bilanz 2018/19 keine gröbere Delle abbekam.

In Zukunft ist mit glimpflichen Verläufen immer seltener zu rechnen. Der Grund: Klimasensibilität. Eine der ersten und umfassendsten Studie zu dem Thema stammt aus dem Jahr 1997 („Klimasensibilität österreichischer Bezirke mit besonderer Berücksichtigung des Wintertourismus“), und wurde vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben. Es ist die bisher einzige Arbeit, die mit Daten und Auswertungen auch die Bezirksebene ausgewertet hat. Schon vor beinahe 25 Jahren war klar, dass vor allem der Wintertourismus in niedrigen Lagen auf große Probleme zusteuert. Heute, fast 25 Jahre nach Fertigstellung der Studie, sagt Studienautor Meinhard Breiling: „Was wir damals angenommen haben, ist zu einem Gutteil auch so eingetroffen.“

Warum die Studie erst einmal unter Verschluss blieb

Den Weg an die Öffentlichkeit fand die Studie übrigens erst über Umwege. Sie blieb nämlich zunächst einmal unter Verschluss. Denn die Studie war im Sommer 1997 fertiggestellt worden – wenige Monate vor der Klimakonferenz in Kyoto im Dezember, auf der sich die einzelnen Staaten erstmals zu bindenden Reduktionszielen für die Treibhausgase verpflichteten. Im Sommer 1997 ging es um die Festlegung der österreichischen Verhandlungsposition auf der Klimakonferenz, und die war umstritten. Offenbar war in dieser Phase eine Studie nicht opportun, in der gravierende Konsequenzen durch Klimaerwärmung für einen Lebensnerv der heimischen Wirtschaft aufgezeigt werden.

Zum Zeitpunkt der Studienerstellung war die durchschnittliche Temperatur weltweit um etwa 0,6 Grad Celsius gestiegen (gegenüber 1850), in den alpinen Gebieten lag sie deutlich höher (bei bis zu 1,1 Grad). Mittlerweile ist das globale Mittel um 1,1 Grad höher als 1850, in den alpinen Region um mehr als 1,8 Grad.

Aber schon damals ließen die Berechnungen eine klare Aussage zu. Wie sahen sie damals, Mitte der 1990er Jahre, aus? „Eine dauerhafte Erwärmung um zwei Grad würde bedeuten, dass der durchschnittliche Jänner um einige Zehntelgrade wärmer ist als der durchschnittliche Dezember und Februar.“ Schon damals begann sich abzuzeichnen, dass in niedrigen Lagen die Wintersaison ausfranste – die 30-Zentimeter-Schneedecke, die für Skibetrieb nötig ist, war im November und April in tieferen Lagen immer seltener vorhanden.

Die Folgen sind noch abgefedert

Breiling, der Szenarien für eine Erwärmung von zwei und von drei Grad durchgespielt hat, rechnet in der Arbeit allerdings zunächst nicht damit, dass das Volumen des Wintertourismus insgesamt abnimmt, denn etwa ein Viertel des touristischen Geschehens spielt sich in höheren Regionen ab, in denen das Risiko einer verschwindenden Schneedecke gering ist. In den tiefer liegenden Skigebieten allerdings prägt ein immer intensiverer Verdrängungswettbewerb die Tourismuslandschaft.

In einer gesamthaften Betrachtung kommt Breiling zur Aussage, dass die Klimasensibilität im Semmering- und Wechselgebiet kurzfristig eine „starke Wirkung“ entfalte, Osttirol mittelfristig mit einer starken und entlang des Alpenhautptkamms mittelfristig mit einer „sehr starken“ Wirkung zu rechnen sei. Große Teile Tirols und Vorarlbergs seien langfristig einer „sehr starken Wirkung“ ausgesetzt. Als „mittelfristig“ hat Breiling den Zeitraum bis etwa 2020 definiert, als „langfristig“ bis Mitte des Jahrhunderts.

Dass die Entwicklung abgefedert in Erscheinung treten, liegt in erster Linie daran, dass Skigebiete ausgebaut und erweitert worden sind und vor allem die Zahl der Schneekanonen stark zugenommen hat. Die sind ein eigenes Kapitel: Denn nach einer Berechnung von Cipra und Naturfreunden werden mittlerweile im gesamten Alpenraum pro Saison 95 Millionen Kubikmeter Wasser für die Beschneiung verbraucht (dem Jahres-Verbrauch einer Stadt mit 1,5 Millionen) und etwa 600 Millionen kWh – was ungefähr 60 Prozent der Stromproduktion des Donau-Kraftwerks Freudenau entspricht. Immer öfter werden mittlerweile Speicherseen angelegt, um Beschneiung zu ermöglichen.

150.000 € für einen Kilometer Piste

Errechnet hat Breiling auch die Kosten der Beschneiung und der technischen Updates. Demnach seien jährlich etwa 400 Millionen € investiert worden – „eine Summe, die sich mittlerweile  auf heute 500 Millionen vergrößert hat, bezogen auf den gesamten Technik-Aufwand der 300 größten Skiregionen Österreichs.“ Die Entstehungskosten für Beschneiungsanlagen für einen Hektar Piste (oder einen Kilometer Abfahrtsfläche mit zehn Metern Breite) betrügen demnach mindestens 150.000 €.

Zehn Jahre nach der österreichweiten Studie hat Breiling dann erneut eine Untersuchung durchgeführt, diesmal nur für das Bundesland Salzburg. Dabei bestätigen sich der Erkenntnisse der Arbeit von 1997 – und auch, dass die Auswirkungen durch Schneekanonen und Liftausbau abgepuffert worden sind. Und das, obwohl Salzburg seit 1948 „jedes Jahrzehnt um 0,2 Grad wärmer geworden ist“ (im Durchschnitt). Nicht ausgeschlossen, dass Salzburg bald an Grenzen stößt: Denn nur noch vier von insgesamt 18 Wetterstationen weisen Temperaturen von minus zwei Grad (oder kälter) an 50 Tagen oder mehr aus. Diese Temperatur ist die Obergrenze, um Kunstschnee noch einigermaßen wirtschaftlich zu produzieren.

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