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"Die Geschichte meiner Frau": Josef Hader als Hausmeister des Absurden

Léa Seydoux und Gijs Naber in "Die Geschichte meiner Frau".
Léa Seydoux und Gijs Naber in "Die Geschichte meiner Frau".Alamode Films
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In Ildikó Enyedis Literaturverfilmung „Die Geschichte meiner Frau“ geht es um Kontrollverlust, meint die ungarische Regisseurin im Gespräch der „Presse“. Josef Hader spielt darin eine kleine, aber wichtige Nebenrolle.

Tiefe Tubaklänge tönen zu Beginn des Films „Die Geschichte meiner Frau“ vor schwarzer Leinwand. Sie klingen schwer – aber nicht beschwerlich wie der Fanfarendonner, der nach dem Soundtrack-Erfolg von Christopher Nolans „Inception“ viele Spektakelfilm-Trailer begleitete. Eher wie Walgesänge, die, in lange Klangteppiche eingewoben, als entspannende Einschlafhilfe im Internet kursieren. Kurz darauf sieht man wirklich Wale, die anmutig durch dunkle Wasser wuchten. Ihre monumentalen Silhouetten wirken unheimlich und beruhigend zugleich.

Eine Beschreibung, die auch auf die Filme Ildikó Enyedis zutrifft. 1988, in der Abenddämmerung des Gulaschkommunismus, sorgte die ungarische Regisseurin mit ihrem Schwesternporträt „Mein 20. Jahrhundert“ erstmals für internationales Aufsehen. In Cannes erhielt das schwarz-weiße Kunstmärchen die Caméra d'Or für den besten Nachwuchsfilm. Danach wirkte Enyedi lange am Rande des europäischen Arthouse-Betriebs, tat sich oft schwer, Filmpläne umzusetzen. Bis zum Knalleffekt 2017, als ihr Beziehungsdrama „Körper und Seele“ den Hauptpreis bei der Berlinale gewann.

Dessen sensible Außenseitergeschichte traf den überstrapazierten Nerv der Zeit. Und ebnete den Weg für ein Herzensprojekt Enyedis, die Adaption von Milán Füsts vielschichtigem Zwischenkriegsroman „Die Geschichte meiner Frau“. Dieser handelt von einem holländischen Schiffskapitän namens Jakob Störr, der sich an seine französische Ehefrau Lizzy erinnert. Dabei skizziert er nicht nur sein eigenes Psychogramm, sondern auch das einer chaotischen Epoche.

Die Vorlage, ein unablässiger innerer Monolog des Kapitäns, sei für sie ein „riesiges Labyrinth“, meint Enyedi im Gespräch mit der „Presse“. Um dessen „Herz“ zu treffen – die Frage danach, „wie man das Leben in all seiner unwägbaren Seltsamkeit leben kann“ – wollte die 65-jährige Filmemacherin Störrs Selbstgespräch erst in Form einer modellhaften Miniaturwelt verbildlichen, entschied sich dann aber für einen weniger verklausulierten Zugang: Eine klassische, in sieben Kapitel gegliederte Erzählung.

Josef Hader als absurde Schlüsselfigur

Darin macht Störr auf Landgang der ihm unbekannten jungen Lizzy einen Heiratsantrag – aus reiner Laune heraus. Sie nimmt überraschend an. Und wird fortan zum Objekt unergründlicher Begierde und drängenden Argwohns für ihren verbissenen Gatten. Der sich zusehends daran aufreibt, ihrer Herr werden zu wollen. Der knapp dreistündige, kunstvoll und gemessen inszenierte Film beobachtet diese verfehlte und vergebliche Verausgabung im Unterschied zum Roman aus äußerer Distanz: „Wir sind ihm nahe, aber wir wissen nie, was genau in ihm vorgeht.“

Für Enyedi ist Störr kein eitler Macho, sondern eine aufrichtig um Ordnung und Problemlösung ringende, in ihrer Unvollkommenheit berührende Figur. Diese erforderte behutsame Besetzung. Im Niederländer Gijs Naber fand Enyedi einen passenden Darsteller, der Stärke und Zerbrechlichkeit in sich vereint. „Gijs hat am Theater die unterschiedlichsten Rollen gespielt, beim Film war er vor allem in Komödien zu sehen. Mich hat er in einem Kurzfilm beeindruckt: Dort gibt er einen manipulativen Porno-Produzenten – einen richtigen Widerling, bei dem trotzdem eine verstohlene Zärtlichkeit durchscheint, wie man sie meist nur bei äußerlich betont starken Menschen antrifft.“

Die undurchsichtige Lizzy spielt der französische „James Bond“-Star Léa Seydoux. Ursprünglich war sich Enyedi bei ihr unsicher, in Filmen wirkte Seydoux zu aktiv und extrovertiert für die Rolle. Doch beim ersten Casting-Treffen erkannte die Regisseurin eine Fragilität, die sie sofort überzeugte.

Für das heimische Publikum spannend ist überdies die Besetzung Josef Haders in einer markanten Nebenrolle: Er mimt einen lästig herumschnofelnden Hausmeister, der Störr mit philosophischen Fragen sekkiert („Glauben Sie an eine höhere Intelligenz?“). Enyedi kam dank „Wilde Maus“ und „Vor der Morgenröte“ auf den Österreicher: „Seine Figur ist komisch und unscheinbar, aber sehr wichtig.“ Ihre Präsenz verleihe dem Geschehen eine absurde Note. Und erinnere so an den existenziellen Überbau der Geschichte, bei der es nicht nur um profane Eifersucht geht, sondern um den Umgang des Menschen mit Kontrollverlust. „Wenn man erkennt, dass man Spielball von etwas Größerem ist, heißt das nicht zwangsläufig, dass man sich selbst verliert.“

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