Spitäler am Limit

Kein regionaler Lockdown für Oberösterreich und Salzburg

20211105 Press statement by the federal government and provincial governors on current Corona measures VIENNA, AUSTRIA
20211105 Press statement by the federal government and provincial governors on current Corona measures VIENNA, AUSTRIA(c) imago images/SEPA.Media
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Für den Gesundheitsminister sei „Schluss mit lustig“, hieß es vor der Krisensitzung mit Oberösterreich und Salzburg. Das Ergebnis ist überschaubar: Mehr als eine Ausweitung der Maskenpflicht kommt vorerst nicht.

Angesichts der vollen Intensivstationen und täglichen Rekorde an Neuinfektionen muss die Lage in Salzburg und Oberösterreich inzwischen als dramatisch bezeichnet werden. Die Sieben-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner liegt in Oberösterreich bei 1173,5, in Salzburg bei 933. De facto wird in manchen Spitälern bereits eine Triage durchgeführt, also eine Abwägung, welche Patienten überhaupt noch behandelt werden. Nicht lebensnotwendige Operationen werden verschoben.

Am Dienstag wurden die Lockdown-Gerüchte vom Bundeskanzleramt noch dementiert. Im Hintergrund aber wurde das im Gesundheitsministerium am Mittwoch als einziger Ausweg angesehen. Zahlreiche Experten fordern ohnehin seit Tagen massive Kontaktbeschränkungen, um die medizinische Katastrophe zu verhindern.

Haslauer greift Virologen an

Dazu bat Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) den Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer sowie jenen aus Oberösterreich, Thomas Stelzer (beide ÖVP), zur Krisensitzung. In dieser schlug Mückstein einen regionalen Lockdown für Oberösterreich und Salzburg vor, berichtete Haslauer am späten Nachmittag. Durchsetzen konnte er sich damit jedoch nicht, auch weil Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) diesen vorerst verhindern will. Einen regionalen Lockdown für Ungeimpfte hält Haslauer für wenig effektiv, wie er erklärte. „Ich bin da skeptisch“, sagte er am Mittwochabend. „Das ist schwierig bis gar nicht zu kontrollieren.“

Regionale Maßnahmen setzen Salzburg und Oberösterreich um, indem sie die Maskenpflicht ausweiten. Am Freitag soll dann mit Experten erneut über einen regionalen Lockdown verhandelt werden. „Es war ein offenes Gespräch, in dem die Lage gemeinsam besprochen wurde“, sagte Mückstein im Anschluss. „Die Gespräche werden jetzt auf fachlicher Ebene und dann in einer weiteren Runde mit den Landeshauptleuten weitergeführt.“

Haslauers Argumentation für das Zuwarten basierte großteils auf einem Generalangriff auf die Virologen, die sich bezüglich der Wirksamkeit der Impfung „geirrt“ hätten und die es „am liebsten“ hätten, wenn „jeder Salzburger und Wiener im Zimmer eingesperrt wird, weil die dann nix anstellen können. Sie werden halt dann an Depression sterben oder verdursten.“ Auf Twitter brach im Anschluss an die Pressekonferenz ein Sturm der Entrüstung aus.

Stelzer prüft „verfasssungsrechtliche Grundlage“

Ob der Entwicklung der vergangenen Tage kommen aus den Reihen der politischen Gegner inzwischen Rücktrittsaufrufe. Doch auch in der eigenen Partei dürfte man über die Vorgehensweise der beiden Chefs nicht überall zufrieden sein: Mückstein soll zuletzt aus Oberösterreichs Landesregierung sogar um Unterstützung gebeten worden sein, um bei Stelzer Überzeugungsarbeit zu leisten.

Auf Anfrage in seinem Büro wird betont, dass Stelzer der „Ernst der Lage sehr bewusst“ sei. „Es wird ab morgen auf Expertenebene Gespräche mit dem Gesundheitsministerium geben, auch was eine etwaige verfassungsrechtliche Rechtsgrundlage eines regionalen Lockdowns für Ungeimpfte und die damit notwendige Kontrolle anlangt“, heißt es. Das könnte bedeuten, dass ein regionaler Lockdown für Ungeimpfte im Bereich des Möglichen liegt.

Mückstein war zuvor fest entschlossen gewesen, durchzugreifen. „Es gibt zwei Bundesländer, die eine besonders besorgniserregende Entwicklung haben. Dort müssen wir rasch und entschlossen und umfassend handeln“, sagte er nach dem Ministerrat am Mittwochnachmittag. Im Hintergrund war man noch deutlicher. „Es ist Schluss mit lustig“, beschrieb ein Vertrauter des Ministers die Lage. „Es ist die letzte Chance für Oberösterreich und Salzburg, das auf die Reihe zu bekommen.“

Schon jetzt schwäche sich das System selbst, berichtete man zuvor aus Mücksteins Umfeld. Überlastetes Pflegepersonal gehe in Krankenstand, weil es nicht mehr könne. Die Schuld sieht man im Gesundheitsministerium klar im „Missmanagement“ der beiden ÖVP-Landesregierungen. Dass am vergangenen Wochenende ausgerechnet in Salzburg und Oberösterreich die Impfstraßen geschlossen waren, sagt ein Mückstein-Intimus ein „Desaster“. Die nächsten freien Termine auf der Website werden in Oberösterreich für Dezember angezeigt. Die Impfstraßen werden inzwischen wieder hochgezogen. Für den Bund ist das aber zu wenig und zu spät.

De-facto-Triage in Oberösterreich

Die Kliniken im Salzkammergut sind inzwischen zu 96 Prozent ausgelastet. Dort gibt es nur noch ein einziges freies Intensivbett. Auch in den anderen Bundesländern wird die Notlage größer. In einer Belagsprognose geht das Covid-19-Prognose-Konsortium davon aus, dass österreichweit in zwei Wochen im schlimmsten Fall mehr als 900 Covid-Patienten auf Intensivstationen liegen könnten.

Zu den ohnehin recht dramatischen Aussichten kam am Mittwoch die alarmierende Nachricht, dass auf der Onkologie-Station des Steyrer Klinikums ein Corona-Cluster entstanden ist, wie die „Kronen Zeitung“ berichtet. Ausgelöst wurde er von mehreren nicht geimpften Pflegekräften.

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Aus dem Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) heißt es, dass die Lage in den Wiener Spitälern vorerst stabil sei. Könnte man dafür Patienten aus anderen Ländern aufnehmen? Bisher habe man sich darauf geeinigt, dass jedes Bundesland seine „eigenen“ Corona-Patienten betreut, sagt ein Sprecher. Möglich wäre es jedenfalls. Die Organisation müsse aber das Gesundheitsministerium übernehmen.
Die Misere zu verantworten habe die ÖVP. „Man kann es an den Äußerungen ablesen“, heißt es aus einem grünen Regierungsbüro. Damit gemeint sind die zahlreichen Bekundungen, etwa von Altkanzler Sebastian Kurz, dass die Pandemie de facto vorbei sei. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hatte dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig im Juli ausgerichtet, dass strengere Maßnahmen „völlig absurd“ seien. In der Zwischenzeit passierte bei PCR-Tests und Impfkampagne in den meisten Bundesländern kaum mehr etwas.

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