Elektroauto

Zug der bunten Vögel

(c) Juergen Skarwan
  • Drucken

Grünspecht, Kolibri und ein neuer Star am Himmel: Ausflug im Elektro-Schwarm.

»Hondas Motto: Kleiner ist feiner. das gilt für den Akku aber nur beschränkt«

(c) Juergen Skarwan

Applaus, Applaus! Mit dem Ioniq 5 hat Hyundai den neuen Superstar im Fach der Elektrischen lanciert, und das ist nicht übertrieben: Wo er auftaucht, wird er bestaunt, laufen Menschen zusammen, um ihn innen und außen zu inspizieren. Weil er verblüffend ist, überraschend und mit nichts vergleichbar: In der Form erinnert er an ikonenhafte Kompakte wie den 1er-Golf, was wesentlich auch an seiner Kantigkeit liegt, die wir als kunstvolle Verneigung des Hyundai-Designdirektors Luc Donckerwolke (in seiner Frühzeit: Audi A2, Lamborghini Gallardo!) vor Keil- und Kanten-Maestro Giorgetto Giugiaro und seiner legendären Karosserie-Schmiede Italdesign verstehen.

Da passt es bestens ins Bild, dass manche sich in der Vorderansicht an den „Zurück in die Zukunft“-DeLorean DMC-12 erinnert fühlen – auch dies ein Wurf Giugiaros aus den späten 70ern. Dazu ein raffiniertes Spiel mit den Proportionen: Der Ioniq 5 ist gar nicht so kompakt wie er aussieht, nämlich mit 4635 mm einen ganzen Meter länger als der Ur-Golf und hat mit satten drei Metern den Radstand einer Oberklasselimousine! Sein Design ist voller Details und Zitate, ohne durch billige Show-Effekte zu nerven.Das gilt auch für den Innenraum, der bei aller Digitalisierung Gnade walten lässt und zentrale Elemente wie die Lautstärkeregelung analog belässt. Ebenfalls sehr gefällig der Drehregler zum Einlegen der Fahrstufen; umso erstaunlicher, wie es anderen Herstellern gelingt, diesen wichtigen haptischen Ankerpunkt an Bord zu vermurksen.Dass Hyundai die Vernetzung an Bord im Griff hat, wissen wir seit dem Kona, und auch hier: Diesem Navi und seinen Echtzeitprognosen zu Verkehrsfluss und Ankunftszeit kann man jederzeit trauen. Das Fahrverhalten ist duch den Heckantrieb und den naturgemäß feisten Durchzug des Elektroantriebs auf der freudvollen Seite, meldet in gar flotten Kurven aber bald das hohe Gewicht nahe der zwei Tonnen. Dennoch, jedes Ziel wollte man mit dem Ioniq 5 augenblicklich in Angriff nehmen, zu dieser raren Kategorie von Autos zählt er. Eine Verneigung vor der koreanischen Company, die ihn so auf die Räder gestellt hat.
Die dringendsten Fragen des geneigten Publikums kreisen indes um die Elektro-Standards, allen voran: Reichweite. Unser Exemplar war mit Heckantrieb und der größeren Batterie (Long Range, 72,6 kWh) ausgestattet, das ergibt nach WLTP 451 km mit 20-Zoll-Rädern (ein Zoll weniger bringt gleich 30 km mehr!). Wir haben bei unseren Testfahrten die 400 km allerdings nicht erreicht oder überschritten. Weiter kommt vielleicht, wer mehr Sparwillen aufbringt und sich dem offiziellen Stromverbrauch von 16,8 kWh ehrgeiziger annähert, als wir das taten.
Reichweite zum Herzen, in der Kategorie glänzt auch der Wall-e, pardon: Honda e. Weniger auf der Autobahn oder Landstraße, aber das gibt er auch gar nicht vor: Sein Revier ist das Urbane, und dort ist er König. Der Wendekreis eines Kobolds, ein Motor im Heck, der auf etwas Nachdruck am Fahrpedal herzhaft zubeisst: Herrlich sprintstark führt er klotzige SUV-Ungetümer ungerührt vor, und wo die parken, wenn sie denn einen Parkplatz fänden, passt er zweimal rein. Kleiner ist feiner – das gilt für die Batterie halt nur mit Einschränkung. Mit 35,5 kWh Kapazität macht man keine Fernreisen, zumal der Kleine tüchtig beim Strom zulangt. Mit so um die 20 kWh im Schnitt trieben wir uns durch die Gegend, vermutlich saugt die imposante Display-Galerie auf dem Armaturenbrett (samt Screens statt Rückspiegel) an den Energiereserven. Dafür wird ein unvergleichliches Habitat aus Digtialem und analoger Wohnlichkeit aufgeboten, so liebevoll eingerichtet, wie das neben Honda grad noch Mazda zuwege bringt. Was macht man mit so viel Bildschirm? Sobald man sich an Aquarium und Bambuswald als Screensaver sattgesehen hat, einen Film streamen und im Auto anschauen, während man die Ladezeit abwartet. Dass 3,9 Meter Auto auf einen recht imposanten Preis kommen, muss ja kein Widerspruch sein: Größe kann im städtischen Verkehrsgeschehen der Zukunft nicht mehr das alleinige Wert-Kriterium sein.
Der Opel schließlich die goldene, in dem Fall limegrüne Mitte: Der günstigste im Test, der ausgewogene in allen Fahreigenschaften – und der mit dem besten Lenkrad an Bord. In vielen Varianten haben wir den Antriebsstrang aus der Konzern-Plattform schon kennengelernt, und mit dem Citroën e-C4 ist der Mokka-e unser Favorit. Hauptsächlich, weil er in einer weithin unterschätzten Opel-Traditon des hervorragenden Designs schön anzusehen ist und den besten Kompromiss aus Gewicht, Reichweite und ganz sicherlich Preis bietet. Sauber und geordnet das Cockpit, vorbildlich die Bedienung und grafische Darstellung des Bordsystems auf zwei Bildschirmen. Im Opel kann man es also gut aushalten, auch wegen der sehr guten Sitze, und weil die Reichweite mit realistischen 255 Kilometern ihm auch Spielraum außerhalb der Ballungsräume lässt.

Dass ein Elektroauto wie das andere wäre, also alles einerlei, das muss spätestens nach dieser Ausfahrt als eindeutig widerlegt gelten. Sie haben Charakter, Charisma und Eigenschaften, die über ihr bloßes Antriebskonzept hinausgehen – jedenfalls haben es diese drei bunten Vögel, die für drei Preisklassen und Größen stehen. Und dafür, dass gutes Design immer gewinnt.

(c) Juergen Skarwan

Volle Kante

Bombastische drei Meter Radstand bei 4,6 Metern Länge, das ist einer der Tricks, mit denen der Ioniq 5 verblüfft. Hochklassiges Design.

Name : Hyundai Ioniq 5
Preis : 48.990 Euro (2WD, LR)
Antrieb : PSM an der Hinterachse
Peakleistung : 160 kW (218 PS); 350 Nm
b 72,6 kWh/380 km
Gewicht : 1985 kg
0–100 km/h : 7,4 Sekunden

(c) Juergen Skarwan

Gute Mitte

Mit der bewährten Multi-Marken-Plattform des Stellantis-Konzerns gelingt dem hübschen e-Mokka ein überzeugender Auftritt.

Name : Opel Mokka-e
Preis : 35.669 Euro
Antrieb : PSM an der Vorderachse
Peakleistung : 100 kW (136 PS); 260 Nm
Akku/RW : 45 kWh/260 km im Test
Gewicht : 1598 kg
0–100 km/h : 8,5 Sekunden

(c) Juergen Skarwan

Feiner Kleiner

Liebevoll gestalteter, hetzig zu fahrender E-Winzling mit kleiner Batterie, relativ hohem Verbrauch und in der Folge geringer Reichweite.

Name : Honda e Advance
Preis : 36.090 Euro
Antrieb : PSM an der Hinterachse
Peakleistung : 113 kW (154 PS); 315 Nm
Akku/RW : 35,5 kWh/180 km im Test
Gewicht : 1520 kg
0–100 km/h : 8,3 Sekunden

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.