"Buch Wien" startet mit Gastland Russland und ohne Masken

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Philosophin Isolde Charim hält die Eröffnungsrede, Attwenger spielen ein Eröffnungskonzert. Erstes Gastland ist Russland. Eine Wahl mit Potenzial zur Kontroverse.

Im Vorjahr musste die "Buch Wien" coronabedingt abgesagt werden. Heuer findet sie wieder statt. Die dreizehnte Auflage der Buchmesse eröffnet heute, Mittwoch, in der Messe Wien nicht nur mit einer Rede, sondern auch mit einem Konzert: Zuerst spricht die Philosophin Isolde Charim zu geladenen Gästen, dann spielt die oberösterreichische Zwei-Mann-Band Attwenger auch für das normale Publikum.

Für die Buchmesse gilt die 2G-Regel: Es dürfen nur Geimpfte und Genesene in die Halle, dafür kann man sich ohne Masken frei bewegen. Schon am ersten Abend warten mit Eva Menasse, Doris Knecht, Sebastian Fitzek und Michael Köhlmeier hochkarätige Autorinnen und Autoren auf die Besucher. Florian Illies präsentiert am Donnerstag um 14.00 Uhr sein neues Buch "Liebe in Zeiten des Hasses - 1929 bis 1939" in Wien.

Russland ist das erste Gastland in der Geschichte der "Buch Wien", bei der vor zwei Jahren 55.000 Besucherinnen und Besucher gezählt wurden. Bis Sonntag sind auf 12.000 Quadratmetern 323 Aussteller vertreten. Nicht nur in der Messehalle gibt es Programm: An insgesamt 23 Veranstaltungsorten werden über 500 Autoren und Mitwirkende erwartet. Erstmals gibt es heuer einen Programmschwerpunkt "Buch Wien Debatte".

Keine Debatte über Putins Russland

"In den letzten Jahren setzen wir verstärkt auf ein hochkarätiges Debattenprogramm", kündigte Programmleiter Günter Kaindlstorfer im Vorfeld an. "Über 'Orbans Ungarn' wird da ebenso diskutiert wie über den 'Radikalisierten Konservatismus', den die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl unter anderem in Österreich und den USA am Werk sieht. Und das China Xi Jinpings ist natürlich auch ein Thema - Stefan Aust und Adrian Geiges werden ihre Biografie des chinesischen Autoritaristen vorstellen."

Eine kontroversielle Diskussion über Russland unter Wladimir Putin sucht man im Programm indes vergebens. "Zu Russland mag ich nicht Stellung nehmen", lässt der Programmleiter jedoch wissen, dies sei "nicht meine Baustelle".

Tatsächlich überlegte man schon länger, ähnlich wie Frankfurt und Leipzig auch in Wien Gastland-Auftritte einzuführen. "Russland war gar nicht so sehr unser eigener Wunsch", gibt Buch Wien-Geschäftsführer Patrick Zöhrer zu. "Das kam 2019 durch den Sotschi-Dialog zustande." Damals wurde Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Auslandsreise von einer Kulturdelegation rund um die Salzburger Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler begleitet. Und die Idee wurde geboren, dass sich Russland auf der Buchmesse in Wien und Österreich vice versa bei der Messe in Moskau präsentieren solle.

Räumlich ist der erste Gastland-Auftritt eher bescheiden: Russland bespielt einen 120-Quadratmeter-Stand (das ist doppelt so groß wie die üblichen Messestände). Aber immerhin gibt es eine eigene Ausstellung, eine eigene Bühne und rund 30 Veranstaltungen auf und abseits der Messe.

Programm stammt vom "Institut der Übersetzung" in Moskau

Mit 47.300 Euro finanziert wird der Stand von dem russischen "Ministerium für digitale Entwicklung“, das seit kurzem auch für Literatur zuständig ist. Inhaltlich gestaltet wird er vom "Institut der Übersetzung" in Moskau. Dieses ist formal keine staatliche Institution, weswegen laut dem amtsführenden Direktor Jewgeni Resnitschenko etwa auch eine Zusammenarbeit mit den USA möglich ist. Nicht immer ist die angestrebte internationale Begegnung friktionsfrei. So habe der französische Präsident Macron 2019 einen russischen Stand auf der Pariser Buchmesse vermeiden wollen, heißt es.

Geschäftsführer Zöhrer versichert, "nicht blauäugig hineingegangen" zu sein: "Das politische Thema hat uns von Anfang an begleitet, deswegen war es uns wahnsinnig wichtig, das im Gleichschritt mit dem Außenministerium zu machen, wo die Experten sitzen, und keine Alleingänge zu versuchen. Wir wollten natürlich der russischen Regierung keinen Propagandaauftritt auf der Buch Wien ermöglichen, gleichzeitig war es uns bewusst, dass wir da nicht völlig in Opposition gehen können", sagt der Buch Wien-Geschäftsführer. "Das Prinzip der Buch Wien ist, dass 100 Prozent des Programms kuratiert sind. Jeder Vorschlag wird von uns geprüft und diskutiert. Wir hätten auf jeden Fall die Möglichkeit gehabt, Einspruch zu erheben. Wir haben aber befunden, dass das ein wohldurchdachtes Programm ist und dass da keine Notwendigkeit besteht zu intervenieren."

Viel Fiktion, wenig Sachbücher

Das "Institut der Übersetzung" konzentriert sich bei der Autorenauswahl auf Fiktion, was allfällige Kontroversen im Sachbuchbereich zu vermeiden hilft, und auf Autorinnen und Autoren, deren Werke auf Deutsch übersetzt wurden. Schwarze Listen mit aus politischen Gründen missliebigen Literaten gebe es keine, beteuern Resnitschenko und Nina Litwinez, Programmdirektorin des russischen Standes. Sie erklären, dass ihr Institut etwa auch Übersetzungen von oppositionellen Schriftstellern wie Dmitri Bykow, Dmitri Gluchowski oder auch Ljudmila Ulitzkaja unterstützt habe.

Bei der Buch Wien sind einige durchaus bekannte Autoren und Autorinnen wie Jewgeni Wodolaskin, Gusel Jachina oder Viktor Remizov vertreten, aber niemand, der den Kreml verstören könnte.

"Ich wähle nichts aus politischen Gründen aus", sagt Resnitschenko. "Auf uns kann man zwar Druck ausüben, aber nicht in der gleichen Form wie auf eine Regierungsstelle. Wir positionieren uns für die Literatur als eine Kunst."

Buch Wien

In der Halle D der Messe Wien

  • Mittwoch, 10.11. von 19:30 - 23:00 Uhr
  • Donnerstag, 11.11. von 9:00 - 18:00 Uhr
  • Freitag, 12.11. von 9:00 - 18:00 Uhr
  • Samstag, 13.11. von 10:00 - 19:00 Uhr
  • Sonntag, 14.11. von 10:00 - 17:00 Uhr

https://www.buchwien.at

(APA/Red.)

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