Aston Martin Lagonda

In Ohio entspringt ein Fluss

(c) Juergen Skarwan
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Avantgarde und Klassik: Der bemerkenswerte Aston Martin Lagonda und sein Urahn.

»70er-Avantgarde: Digitalcockpit und Kanten, zum Schneiden scharf.«

Ein Auto muss nicht unbedingt erfolgreich sein, um Eindruck zu hinterlassen oder sogar zur Ikone zu werden. Vom Aston Martin Lagonda wurden in elf Jahren um die 700 Exemplare gefertigt, was die Chancen, ein Exemplar leibhaftig auf der Straße anzutreffen, äußerst gering hält. Andrerseits sind das eine Menge Autos für einen Hersteller wie Aston Martin, dessen Ruhm und Ansehen höchstens indirekt mit den produzierten Stückzahlen korrelierte (Tiefpunkt 1992: 40 Autos!). Für Aston war der in drei Serien gebaute Lagonda eine Stütze in schwierigen Zeiten (also doch ein Erfolg), und er machte von sich reden, weil sein Auftritt einem Erlebnis gleicht.

Das gilt heute noch, aber wie muss der originale Wurf erst mitten in den Siebzigern gewirkt haben? Gut, Keil und Kante waren schon angesagt, Maestro Giugiaros strenger Faltenwurf eroberte auch England, siehe Lotus Esprit. Aber der Lagonda war nochmals etwas anderes, weil der Folded- Paper-Stil von Astons Hausdesigner William Towns nicht bei einem Sportwagen, sondern einer langgestreckten Luxuslimousine zur Anwendung kam: 5,3 Meter pure Extravaganz, die in den ersten beiden Generation (Series 2 und 3) noch viel kompromissloser ausgefallen war als beim vorliegenden Exemplar der vierten Serie.

Aston wollte nicht nur Handlungsfähigkeit demonstrieren, indem man ein komplett neues Modell auf die Räder stellte, man wollte auch mit Avantgarde verblüffen. Das hieß zu der Zeit: Kanten, zum Schneiden scharf, Klappscheinwerfer als Must-have und ein Cockpit, das als Frühwerk der Digitalisierung im Auto als epochal gelten muss. Funktioniert hat es weniger toll.

Anmutung und Bedienlogik eines Casio-Taschenrechners forderten von der Kundschaft Aufgeschlossenheit den neuen Zeiten gegenüber; nicht unbedingt in der Tradition des Herstellers, aber mutig. Ärgerlich nur, dass man die Elektronik mit Touch-Buttons nicht ganz im Griff hatte, was unter anderem dazu führte, dass das Ur-Modell bei der Präsentation in die Halle mit dem Publikum geschoben werden musste, weil es sich nicht starten ließ.Wer waren die Käufer eines Lagonda? Zunächst jene, denen ein imposanter Preis als Grundvoraussetzung diente und die Understatement für eine Tugend von Habenichtsen hielten. Der Lagonda gehörte zu den teuersten Autos der Welt, und wenn er einmal streikte, war es nicht schlimm, man hatte ja noch genug anderes im Fuhrpark.

Unser Proud Owner ist Wolfgang Alber mit seinem gewissen Faible für englische Nachkriegsmarken, er war mit einem exquisiten DB2 aus seiner Sammlung schon zu Gast im Fahrstil. Sein Lagonda ist Baujahr 1990, end of the line, genau einen solchen wollte er: Vierte Serie mit schon zurückgenommener Kante, „stimmiger im Design“, mit fast normalem Cockpit mit digitalen Instrumenten, aber doch mit ein paar Knöpfen und Schaltern zum Drehen und Drücken. Die früheren Klappscheinwerfer sind einer ansehnlichen Sechsergalerie gewichen. Alber hält das Auto hübsch in Bewegung, es ist unproblematisch im Alltag, solange man keinen Parkplatz sucht. Der 5,3-Liter-V8 ist eine feine Maschine, deren Drehmoment in der Dreistufenautomatik allerdings etwas versandet. Beeindruckender das feist mit Connolly-Leder tapezierte Interieur und die Armaturen, auf denen man sich den Hupton aussuchen kann (Klangnoten: „Bin zu Hause, Liebling!“ und „OUT OF MY BLOODY WAY!“) und die linke oder rechte Tankklappe (bei einem Tank) entriegeln kann, das nennt man Komfort! Öffnet man die Tür, mahnt eine Männerstimme wie aus der Geisterbahn: „Licht an!“


(C) Juergen Skarwan

Strahler 80

Um den Bogen zum Ursprung des Namens zu spannen, steuert Alber einen echten Lagonda aus seiner Sammlung bei, Baujahr 1956, das letzte Modell als eine eigenständige Marke. David Brown hatte sie bald nach seinem Erwerb von Aston Martin übernommen, hauptsächlich, um an den von W. O. Bentley konstruierten Reihensechszylinder zu kommen. Dies war der Motor, mit dem die Aston-Martin-Saga erst richtig beginnen konnte. Doch mit dem 3 Litre war Lagondas eigene, seit 1899 währende Geschichte, mit einem Le Mans-Sieg 1935 als Höhepunkt, bereits im Ausklingen begriffen. Ungewöhnlich genug, war sie von einem gewissen Wilbur Gunn aus Ohio im englischen Staines-upon-Thames gegründet worden – benannt nach dem Lagonda Creek in seiner Heimat.
Zu seiner Zeit eines der teuersten Autos der Welt und als Limousine definitiv das flachste. Pure englische Extravaganz auf 5,3 Meter Länge.

Name : Aston Martin Lagonda Series 4
Bauzeit : 1987 bis 1990
Motor : V8-Zylinder, 5341 ccm
Leistung : 289 PS bei 5000 U/min
Gewicht : 2095 kg

(C) Juergen Skarwan

Gruß aus der Vorkriegszeit

Das letzte eigenständige Modell unter dem klingenden Namen, dann wurde Lagonda ein Nameplate für Aston-Martin-Derivate.

Name : Lagonda 3 Litre
Bauzeit : 1953 bis 1958
Motor : Reihen-Sechszyl., 2922 ccm
Leistung : 142 PS bei 5000 U/min
Gewicht : 1600 kg

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