Kommentar

Die EU verzieht sich hinter einen neuen Eisernen Vorhang

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TOPSHOT-BELARUS-POLAND-MIGRANTSAPA/AFP/BELTA/LEONID SHCHEGLOV
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Was Viktor Orbán nicht geglückt ist, hat Alexander Lukaschenko geschafft: die EU zu einer Abkehr von einer offenen Gesellschaft, hin zur Errichtung von Grenzzäunen zu zwingen. Ein historischer Paradigmenwechsel.

Die Hunderten Migranten an der Grenze zu Polen sind Hunderte Einzelschicksale. Viele von ihnen haben mit großer Wahrscheinlichkeit einen nachvollziehbaren Grund für ihre Flucht, einige hätten wohl auch Anrecht auf Asyl. Aber sie sind vor allem eine vom belarussischen Machthaber Lukaschenko instrumentalisierte Menge, die Angst macht. Sie, die ihre Feuer nahe den polnischen Wäldern entzündet haben, die Barrikaden niederreißen und sich mit Stangen und Pflöcken Durchgang verschaffen wollen, werden Europa verändern. Das zeichnet sich ab. Und es wird vielen nicht gefallen.

Die EU ist mit diesem Ansturm endgültig an ihrem Lebensmodell einer offenen Gesellschaft gescheitert. Was Viktor Orbán mit seinem Grenzzaun, dem gewaltsamen Vorgehen gegen Flüchtlinge nicht gelungen ist, schafft nun das Regime in Minsk. Denn jetzt werden immer mehr Stimmen laut, die den Aufbau von Grenzzäunen mit EU-Mitteln fordern. Einer sitzt sogar ganz oben: Ratspräsident Charles Michel, der nun eine baldige Entscheidung über physische Barrieren an den Außengrenzen einmahnt. Es ist eine Entscheidung, gegen die sich die EU-Kommission seit Jahren zur Wehr gesetzt hatte und die sie zuletzt noch ablehnte. „Wir finanzieren keine Grenzzäune“, sagte Innenkommissarin Ylva Johansson vor wenigen Wochen im Gespräch mit der „Presse“.

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