Gleichberechtigung

Deutschland zahlt künstliche Befruchtung für Homosexuelle nicht

Das Gericht zweifelt bei lesbischen Paaren das Kindeswohl des Nachwuchses an.
Das Gericht zweifelt bei lesbischen Paaren das Kindeswohl des Nachwuchses an.imago images/Addictive Stock
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Ein gleichgeschlechtliches Paar hat den Staat Deutschland geklagt, weil die Kosten für eine künstliche Befruchtung nicht übernommen werden. Die Zurückweisung der Klage wirft Fragen zur Gleichberechtigung auf.

Das Thema „künstliche Befruchtung“ ist zurzeit in den Medien präsenter als sonst. Der Fall eines US-amerikanischen Paares, dessen Embryo bei der In-vitro-Fertilisation verwechselt wurde, machte Schlagzeilen. Erst etliche Wochen nach der Geburt stellten die Eltern fest, dass es sich bei ihrem Neugeborenen nicht um den biologischen Nachwuchs handelte. Die Vorstellung, unwissentlich das Kind eines anderen Paares auszutragen, zur Welt zu bringen und zu lieben, weckt Urängste. Für viele Paare steht sie aber gar nicht zur Debatte. Gleichgeschlechtlichen Partnern ist es vielerorts nicht erlaubt, eine künstliche Befruchtung vorzunehmen.

In Deutschland dürfen lesbische Paare zwar Kinder bekommen - auch per In-vitro-Fertilisation - die Kosten für den teuren Eingriff werden jedoch nicht von der Krankenkasse übernommen. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren ist das schon der Fall. Ein homosexuelles, deutsches Paar hat den Staat nun geklagt. Die beiden verheirateten Frauen wollten per künstlicher Befruchtung ein Kind bekommen. Eine Samenspende kam nicht infrage, da die Betroffene mit dem Kinderwunsch an einer Fertilitätsstörung leidet. Das Paar sieht in der deutschen Rechtslage eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.

Kindeswohl wird angezweifelt

Als die Krankenkasse die Kosten nicht übernehmen wollte, zog die Betroffene vor Gericht. Nach den Landessozialgerichten Würzburg und München hat nun gestern auch das Bundessozialgericht in Kassel die Klage abgelehnt. Voraussetzung für die Kostenerstattung bei einer künstlichen Befruchtung sei es demnach, dass eine aufrechte Ehe zwischen den Antragstellern besteht. Außerdem müssen die Eizellen der jeweiligen Ehepartner verwendet werden. Da bei homosexuellen Paaren jedenfalls Spendersamen einer dritten Person verwendet werden müssen, werden sie von der Regelung zur Kostenübernahme nicht erfasst.

Das Bundessozialgericht rechtfertigt den Entscheid damit, dass die Kostenübernahme auch bei heterosexuellen Paaren abgelehnt werde, wenn einer der der Ehepartner zeugungsunfähig ist. Auch das Kindeswohl zweifelt das Gericht bei gleichgeschlechtlicher Elternschaft an, so die Süddeutsche Zeitung. Das Kind muss im Falle einer homosexuellen Elternschaft vom nicht-biologischen Elternteil erst adoptiert werden. Für das Gericht kommt das einer automatischen Schlechterstellung gleich.

Diskussion über Gleichberechtigung

Der Entscheid des Bundessozialgerichts hat in Deutschland eine Diskussion über Gleichberechtigung angefacht. Die Frage, was eine homosexuelle Ehe von einer heterosexuellen unterscheidet, drängt sich auf. Auf Twitter machen viele Kritiker ihrem Unmut Luft. Die Diskriminierungs-Expertin Gilda Sahebi etwa meint, der Staat wolle die Fortpflanzung von gleichgeschlechtlichen Paaren verhindern. „Da können sie Fahnen aufhängen, wie sie wollen“, schreibt Sahebi und bezieht sich damit auf die Regenbogenfahne, die traditionell für die Werte der LGBTIQ+Community steht.

Die Rechtslage in Österreich ist etwas anders. Erst seit 2015 ist es lesbischen Paaren hierzulande überhaupt erlaubt, eine künstliche Befruchtung vornehmen zu lassen. Jedoch müssen die werdenden Elternteile nicht verpartnert sein und haben Anspruch auf Förderung aus dem IVF-Fond. Für schwule Männer ist die Umsetzung eines Kinderwunsches in Österreich jedoch ähnlich schwierig wie in Deutschland. Die vielkritisierte Leihmutterschaft bleibt im Fortpflanzungsgesetz weiterhin verboten. 2014 hieß es dazu zuletzt von Seiten des Verfassungsgerichtshofes, dass es „in naher Zukunft“ einen neuen Entscheid geben werde, so die Stadt Wien.

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