Lockdown für Ungeimpfte

Oberösterreich zieht die Notbremse

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) gibt dem Drängen von Experten und dem Bund nun doch nach.
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) gibt dem Drängen von Experten und dem Bund nun doch nach.(c) FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR
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Ein spontaner Sinneswandel von Thomas Stelzer bringt nun doch den Lockdown für Ungeimpfte. Mediziner berichten Dramatisches: „Wir leben die Triage.“

Die Infektionszahlen steigen weiter dramatisch an. Am Donnerstag gab es mit rund 12.000 Neuinfektionen einen weiteren Rekordwert. Die Corona-Ampel-Kommission spricht inzwischen von einer „ernst zu nehmenden Bedrohung für die medizinische Versorgung der Bevölkerung in Österreich“. Insbesondere in Oberösterreich und Salzburg spitzt sich die Lage immer weiter zu.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) blitzte am Mittwoch bei einer Krisensitzung mit dem Salzburger Landeshauptmann, Wilfried Haslauer, sowie dessen oberösterreichischem Amtskollegen, Thomas Stelzer (beide ÖVP), mit seinem Drängen auf regionale Lockdowns für Ungeimpfte ab. In Oberösterreich aber kommt dieser ab Montag doch: „Die Situation ist dramatisch, daher lösen wir die fünfte Stufe des Bundes aus und planen ab Montag einen Lockdown für Ungeimpfte“, sagte Stelzer am Donnerstag, „sofern es grünes Licht vom Bund gibt bzw. der Bund die Rechtsgrundlage schafft“.

Schon am Mittwochabend hatte sich abgezeichnet, dass man in Oberösterreich doch noch einlenken wolle und dem Drängen Mücksteins nachgeben werde, obwohl Stelzer im ORF am Mittwochabend noch beschwichtigt hatte. Man habe genug Intensivbetten in Oberösterreich, sagte er. Wohl auch, um nicht als Verlierer im Duell mit Mückstein zu wirken, der beide Landeshauptleute in Gesprächen am Mittwoch aufgrund ihres Zuwartens bei den Maßnahmen quasi vorgeführt hatte.

Die Reaktion Haslauers war bemerkenswert trotzig (abgesehen von faktischen Unschärfen, die er verbreitete): In einer Pressekonferenz im Anschluss an das Krisengespräch mit Mückstein richtete er „den Virologen“ aus, dass sie es „am liebsten“ hätten, jeder würde sich im Zimmer einsperren, dann aber „verdursten und verhungern“. Er sehe den Lockdown für Ungeimpfte „sehr skeptisch“. Rechtlich ist dieser tatsächlich schwierig umzusetzen.

Oberösterreich zuerst, dann der Rest?

Stelzer tat nach außen hin zwar ebenfalls so, als sei kein dringender Handlungsbedarf gegeben, ließ intern jedoch bereits erahnen, dass er den Lockdown für Ungeimpfte sehr wohl in Erwägung zieht. Schon am Donnerstagvormittag hieß es aus seinem Umfeld, dass er sämtliche Termine abgesagt habe, um „tief greifende Verschärfungen“ nach einer Expertenrunde und einer Runde mit Sozialpartnern zu beschließen. Konkret wurden eine strengere FFP2-Maskenpflicht und ein „massives Runterfahren des Veranstaltungsbereichs“ diskutiert. Details will man am Freitag mit dem Gesundheitsminister präsentieren.

461 Patienten auf der Normalstation und 89 auf der Intensivstation sowie eine Sieben-Tage-Inzidenz von 1193 sind die Zahlen jener „dramatische Situation“, die Stelzer nun doch einlenken lassen. Oberösterreichs Grüne, SPÖ und Neos machen ihn in einer gemeinsamen Erklärung für die prekäre Situation verantwortlich. Landesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) sprach vom „Stelzer-Lockdown“, Neos-Klubobmann Felix Eypeltauer sieht in der türkis-blauen Landesregierung „Verantwortungsflüchtlinge“. Der grüne Landesrat Stefan Kaineder vermisst die „Dringlichkeit für einen Impfaufruf“, weshalb das Land teilweise ungeimpft in einen Coronawinter „schlittert“.

Während Oberösterreich nun vorprescht, dürfte der Lockdown für Ungeimpfte auch österreichweit unmittelbar bevorstehen. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) kündigte am Donnerstag an, dass dieser nur „wenige Tage“ entfernt sei. Der Winter werde für Ungeimpfte „ungemütlich“, ein Lockdown für Ungeimpfte sei „vermutlich unvermeidbar“. Einem generellen Lockdown, auch für Geimpfte, erteilte Schallenberg aber eine Absage: „Ich sehe nicht ein, dass zwei Drittel ihrer Freiheit verlustig gehen, weil ein Drittel zaudert.“ Mit den Maßnahmen sei man noch nicht am Ende der Fahnenstange. Man werde auch eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, etwa in der Pflege, diskutieren.

Mediziner: „Ein Schlag ins Gesicht“

Ungewöhnlich dramatisch fiel auch die Einschätzung der Ampel-Kommission am Donnerstag aus. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde ein „sehr hohes Systemrisiko an den Krankenanstalten erreicht“, hieß es in einem Arbeitsdokument. Die Kommission fordert deshalb einen Lockdown für Ungeimpfte in ganz Österreich. In Oberösterreich und Salzburg sollten auch Geimpfte ihre Kontakte einschränken.

Verzweifelte Stimmen aus den Spitälern sehen sich inzwischen an der Schwelle zum medizinischen Kollaps. „Wir leben die Triage“, sagt ein Leiter einer oberösterreichischen Intensivstation zur „Presse“. „Wir haben keine Betten mehr. Außer vielleicht in der Pathologie.“ Stelzers Aussagen vom Mittwochabend seien „ein Schlag ins Gesicht“. Man müsse bereits seit letzter Woche „triagieren“, also abwägen, welcher Patient das Bett bekomme und welcher nicht. „Das ist kein Hirngespinst mehr, es ist Tatsache.“

Stufe 3 in den Schulen in drei Ländern

Für die Schulen entschied die Corona-Kommission unterdessen, dass der eigene Stufenplan (österreichweit gilt derzeit Stufe 2) in drei Ländern evaluiert werden müsse. In Oberösterreich, Niederösterreich und Tirol beträgt die risikoadjustierte Sieben-Tage-Inzidenz weit mehr als 200. Zudem sind mehr als 20 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten ausgelastet. Dort gilt nun Stufe 3. Diese bedeutet eine Maskenpflicht für Oberstufenschüler und Lehrer. Musizieren mit Blasinstrumenten ist nur noch im Freien erlaubt. Darüber hinaus sind Schulveranstaltungen (Wandertage, Skikurse) nicht mehr erlaubt, auch externe Partner (NGOs, Workshops) sind verboten. Sportliche Angebote sind mit Mindestabstand weiterhin möglich. Konferenzen und Sprechtage müssen virtuell stattfinden.

Man habe „den Spagat zwischen dem Anrecht auf offene Schulen und dem Schutz vor der Pandemie gut gemeistert“, sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP). Die Kinder und Jugendlichen zeigten „ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein“. Und, so der Ressortchef: „Umgekehrt erwarte ich mir nun auch eine höhere Solidarität der Erwachsenen.“

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