Deutschland hat massives Interesse daran, dass ihm die auseinanderdriftende Eurozone nicht den Erfolg ruiniert.
Der vehemente Vorstoß der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein geordnetes Insolvenzverfahren in der Eurozone hat nicht nur innenpolitische, sondern vor allem wirtschaftliche Gründe. Deutschland lässt derzeit mit einem gesunden Wirtschaftswachstum von 3,4Prozent, einem Defizit unter 3,0 Prozent und einer Arbeitslosigkeit, so gering wie seit 18 Jahren nicht mehr, alle EU-Staaten hinter sich. Mit der deutschen Turbowirtschaft auf der einen und Problemländern wie Irland, Portugal und Griechenland auf der anderen Seite driftet der Euroraum auseinander.
Deutschland hat massives Interesse daran, dass der eigene Aufschwung nicht durch Staatspleiten wie in Griechenland oder Irland ruiniert wird. Dann müsste Berlin nämlich die Hauptlast an bereits versprochenen Garantien übernehmen und würde damit sogar Recht (No-Bail-out-Klausel) brechen. Eine geordnete Insolvenz solcher Länder würde die Last von Berlin nehmen, einen rechtlichen Rahmen schaffen und auch jene Banken in die Pflicht nehmen, die bisher an öffentlichen Kreditnehmern gut verdient haben.
Zu einer wirklichen Stabilität im Euroraum gehört freilich mehr. Deutschland hat mit dem Vorstoß für ein Insolvenzverfahren vor allem das akute Risiko im Auge. Das eigentliche Problem auseinanderdriftender Volkswirtschaften damit aber nicht gelöst. Damit dürfte bald ein tiefer Interessenkonflikt in der gemeinsamen Geldwertpolitik aufbrechen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2010)