Polen weigert sich, die EU zur Hilfe zu holen, um die Situation an der Belarus-Grenze in Griff zu bekommen. Wohl auch, damit eigene Sicherheitskräfte weiter mit aller Härte vorgehen können.
Warschau/Wien. Der Nervenkrieg an der polnischen Grenze zu Belarus erlebt jede Nacht einen neuen Höhepunkt. Im Dunklen versuchen Gruppen der im Grenzwald campierenden Menschen eine Bresche nach Polen zu schlagen. Sie durchschneiden den Zaun, werden von polnischen Soldaten zurückgedrängt. Einige zogen am Freitag auch ganz offiziell zum Grenzübergang Kuźnica. Doch auch dort wurden sie von polnischen Sicherheitsbeamten gestoppt. In der Hoffnung, in den Westen zu gelangen, sitzen viele Hundert Migranten auf belarussischer Seite am provisorischen Zaun fest. Wie viele es insgesamt sind, wie viele von ihnen bereits angesichts der tiefen Temperaturen erkrankt sind, ist nicht bekannt. Nicht einmal mehr die Zahl der Toten, Ende Oktober waren es bereits acht, wird öffentlich. Das Gebiet ist für Journalisten und internationale Beobachter gesperrt, auch EU-Vertreter dürfen es nicht betreten. Die spärlichen Nachrichten stammen von den Festsitzenden selbst über soziale Medien oder von offiziellen polnischen Quellen.
„Wir brauchen keine Hilfe von der EU-Grenzschutzagentur Frontex“, sagte der stellvertretende polnische Außenminister, Paweł Jabłoński, vor wenigen Tagen. In Brüssel wurde dies mit Verwunderung registriert. Denn Frontex wurde genau für derartige Fälle geschaffen. Die Agentur, die ausgerechnet in Warschau ihren Hauptsitz hat, wird seit vergangenem Jahr massiv aufgerüstet. An der griechisch-türkischen Grenze, in der Ägäis, aber auch im nahen Litauen sind ihre Beamten bereits im Einsatz. Dort zählt es zu ihren Aufgaben, die von Machthaber Alexander Lukaschenko angelockten Migranten aufzuspüren und an nationale Behörden weiterzuleiten. Seit Monaten werden von der Agentur neue Mitarbeiter rekrutiert. Bis 2027 sollen es 10.000 werden. Dazu kommt eine hochwertige technische Ausrüstung. Allein das Budget für 2021 beträgt 543,5 Millionen Euro.