Geburtshilfe

Die Arbeit der Hebamme beginnt vor der Geburt

Die Ausbildung zur Hebamme ist hart. Dennoch kommen auf einen Studienplatz durchschnittlich zehn Personen, die sich bewerben.

Josefas Kindheitstraum ist es, Hebamme zu werden. Ihre gesamte Schulzeit passte sie auf kleine Kinder auf und machte ihre Ferialjobs fast ausschließlich in Gesundheitsberufen. Nach der Matura bereitete sie sich wochenlang auf die Aufnahmeprüfung zum Studium für Hebammen an der FH Wien vor – wurde aber nicht zugelassen. Die 19-Jährige ist in guter Gesellschaft, denn dem massiven Hebammenmangel in Österreich stehen viel zu wenige Studienplätze an den sieben FH gegenüber, die dieses sechssemestrige Bachelorstudium anbieten. (FH Campus Wien, IMC FH Krems, FH Kärnten, FH Gesundheitsberufe OÖ, FH Salzburg, FH Joanneum, FH Gesundheitsberufe Tirol). 2020 kamen auf 83.600 Neugeborene 2500 Hebammen, auf 203 Ausbildungsplätze 1990 Bewerberinnen.

Die Arbeit der Hebamme beginnt bereits vor der Geburt. Im Rahmen des Mutter-Kind-Passes können Schwangere eine kostenlose Hebammenberatung in Anspruch nehmen. Im Krankenhaus arbeiten sie auf verschiedenen Stationen vom Kreißsaal über Wochenbettstationen, Ambulanzen und Kinderwunschabteilungen. Sie sind aber auch in Ordinationen tätig, begleiten Hausgeburten und Wöchnerinnen nach der Geburt mit ihrem Neugeborenen. Tägliche Besuche in den ersten fünf Tagen nach der Geburt sowie sieben weitere Hausbesuche sind in Österreich Leistung der Gesundheitskasse.

Selbstständigkeit bevorzugt

Doch nur 252 von 2500 Hebammen sind Kassenhebammen. In Wien und Vorarlberg kämen 700 bis 850 Geburten auf jede Hebamme, möglich sind aber nur 120 bis 140. Das kann natürlich an der Bezahlung liegen: 50 Euro bekommen Kassenhebammen pro Visite, während private Hebammen zwischen 70 und 120 Euro verlangen. Dass das Geld ausschlaggebend sei, hält Heike Polleit, Studiengangsleiterin am FH Campus Wien, nicht für das Hauptmotiv für eine Selbstständigkeit. Es ginge bei der privaten Hebammenarbeit vielmehr darum, die eigene Vorstellung einer optimalen Betreuung umzusetzen, während die Hebammen im Krankenhaus aus Personalmangel oft viel zu wenig Zeit für die Frauen haben können.

Dass sich am FH Campus Wien zehn Bewerberinnen um einen Platz matchen, hält Polleit nicht grundsätzlich für schlecht. Nach einem erfolgreichen Aufnahmetest, den man laut Polleit durch konsequentes Üben jedenfalls schaffe, folgt ein Aufnahmegespräch. Spätestens dann trenne sich die Spreu vom Weizen. „Das Hebammenstudium ist sehr anspruchsvoll und beginnt schon in der ersten Woche mit 100 Prozent.“ Daher seien Begeisterungsfähigkeit, ein guter Realitätssinn, Durchhaltevermögen und eine hohe Frustrationstoleranz gute Voraussetzungen, um das Studium erfolgreich zu absolvieren.

Ab 2022 soll ein neuer Studiengang an der FH Burgenland in Pinkafeld den Hebammenmangel lindern, auch die Studienplätze in Wien werden bis 2030 verdoppelt. Beate Kayer, Vizepräsidentin des Österreichischen Hebammengremiums, wird ihn leiten und in einem ersten Schritt 15 neue Plätze bereitstellen.

Extrem straffe Ausbildung

Dass der Hebammenmangel mit mehr Studienplätzen bereinigt werden könne, bezweifelt sie, denn das Hauptproblem seien die mangelnden Praktikumsmöglichkeiten. „Die EU-Ausbildungsverordnung schreibt angehenden Hebammen einen straffen Ausbildungsplan vor, bevor sie zur Bachelorprüfung antreten können“: 40 eigenhändige Geburten, 40 betreute Geburten, die Betreuung von 100 Wöchnerinnen, 100 Neugeborenen plus 40 gefährdeten Schwangeren. Bei 83.600 Geburten und einer Kaiserschnittrate von 30 Prozent sei das sowohl für die Ausbilder als auch für die Studentinnen eine Herkulesaufgabe.

Angehenden Hebammen raten Polleit und Kayer, sich nicht nur an einer FH zu bewerben, sondern auch Einblicke in die Praxis zu gewinnen und sich darauf einzustellen, dass sich das Berufsleben einer Hebamme nicht immer reibungslos mit dem Privatleben verträgt: „Hebammen machen Schichtarbeit, an Wochenenden und in vielen Nachtdiensten“, so Polleit. Für Kayer ist es zudem ein Frauenberuf, der ein gehöriges Maß an Empathie und Stressresistenz verlange: „YouTube-Videos über Geburten anzusehen wird als Vorbereitung für die Hebammenarbeit nicht reichen.“ (A. O.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2021)

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