Gastkommentar

Die Mutlosigkeit der Regierenden

Wir jungen Menschen haben dieses Pandemie-Management der aktuell Regierenden nicht verdient. Wir sind es, die die vergangenen 20 Monate in allen Phasen zurückgesteckt und Rücksicht auf andere genommen haben.

13.152 – keine randomisierte Zahl, es ist die Zahl der Neuinfektionen in ganz Österreich am 13. November 2021. Ich beobachte die Nachrichten und eine Pressekonferenz und eine drauffolgende Headline überschlägt die nächste. „Kanzler Schallenberg kündigt Lockdown für Ungeimpfte in ganz Österreich an“ titelt die „Zeit im Bild". 45 Minuten später dementiert Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein diese Ankündigung – es soll nur einen Lockdown für Salzburg und Oberösterreich geben. Aber wie sind wir – wieder einmal – an diesen Punkt gelangt?

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Experten und Expertinnen warnten schon in den Sommermonaten vor einer vierten Welle, aber die Bundesregierung wollte davon nichts wissen. Eine Impfplicht wäre möglich, käme für die politischen Akteuere aber nicht in Frage, denn dies würde potenzielle Wählergruppen vertreiben und die Gesellschaft noch mehr spalten – so Politikwissenschaftlernnen. Fast genau vor einem Jahr standen wir (nur mit anderen Akteuren) an genau dergleichen Stelle. Ein Lockdown Light, der in einen harten Lockdown gemündet ist und beinahe sechs Monate anhielt. Eine Geduldsprobe und Mehrbelastung für alle: Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern mit Doppel- und Dreifachbelastung und natürlich besonders für das medizinische Personal. Nach 20 Monaten Pandemie haben die schließlich nicht mehr als Applaus bekommen. Heute stehen sie auf der Straße und machen auf das überlastete System aufmerksam. Viele der Pflegerinnen und Pfleger, die schon Jahrzehnte im Gesundheitsbereich arbeiten, sind ausgebrannt. Und die Regierenden? Richten sich über die Medien aus, was sie wohl doch nicht machen werden.

Wir jungen Menschen haben dieses Pandemie-Management nicht verdient. Wir sind es, die die vergangenen 20 Monate in allen Phasen zurückgesteckt und Rücksicht auf andere genommen haben. Und wir sind wieder die ersten, die die Konsequenzen am härtesten zu spüren bekommen. Viele meiner Freundinnen und Freunde haben noch nicht einmal die Vorlesungssäle an den Universitäten zu Gesicht bekommen. Kommilitoninnen kennen sie nur via Zoom und sie haben auch ihre Matura größtenteils im Online-Unterricht bestritten. Den klassischen Studienbeginn, wie viele ihn kennen, gibt es nicht mehr. Wir lassen uns impfen und sitzen dennoch im Online-Unterricht fest.

Ich erwarte mir mehr von den Regierenden

Nebenher müssen Operationen verschoben werden, weil die Intensivbetten voll sind. Menschen, die seit Monaten auf diese warten und angewiesen sind, müssen vertröstet werden. Ärztinnen und Intensivpfleger treten im Fernsehen auf, um den Ernst der Lage zu erklären, denn die politischen Akteurinnen wollen immer noch nicht begreifen, dass wir schon längst am Zenit angekommen sind.

Ich erwarte mir von den Regierenden mehr. Mehr Mut, wichtige Maßnahmen zu setzen. Mehr Empathie für die Jungen, die gerade einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend vor den Laptops verbringen. Mehr Entschlossenheit, damit das Gesundheitssystem buchstäblich mehr Luft zum Atmen hat.

Solidarität ist wichtig, aber keine Einbahnstraße. Und sobald eine Gruppe meint, dass sie sich nicht impfen lassen müsse und damit das Infektionsgeschehen nur noch weiter antreibt, sehe ich hier keinen Grund für Solidarität mehr.

Florian Boschek, 21 Jahre alt und Student der Cross-Disciplinary Strategies an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

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