Unterwegs

Wenn einem die Musik den Appetit verdirbt

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Über die Unsitte, Gäste von Esslokalen mit Musik zu beschallen. Und wie man sich dagegen wehren kann.

Neulich auf Sardinien. Ein „Agriturismo“, Essen auf dem Landgut, geschmackvoll und ursprünglich. Außer der Beschallung. Wenn es wenigstens traditionelle Volksmusik wäre! Aber nein: Hitparadengedröhne. Die ganze Insel wummert. Sadistische Sarden wählen mit Vorliebe Genres, die an den Nerven zehren: zappeligen Jazz, aufpeitschenden Funk. Noch schlimmer, wenn im leeren Lokal der Konservenlärm direkt ans Trommelfell prallt, ohne dämpfendes Gerede an Nachbartischen. Die naheliegende Bitte der einzigen Gäste, leiser zu drehen, lehnt die Kellnerin entgeistert ab: Das könne nur der Chef entscheiden, und der sei nicht da.

Auch bei uns ist die Musikmarter üblich, in Taxis und Billa-Supermärkten. Immer mehr Speisestätten stimmen ein. Aber warum? In Esslokalen will man essen und reden. Stattdessen muss man schreien, um Musik zu übertönen. Anachronistisch ist die akustische Gleichmacherei, weil doch heute jeder seine Playlist individuell zusammenstellt. Musikalische Geschmäcker sind so divers wie kulinarische. Allenfalls dürfte ein versierter DJ ein fixes Sound-Menü kompilieren, schön dezent. Stattdessen spielen gedankenlose Lärmverantwortliche irgendwas, das aber unüberhörbar. Wer würde in ein Gasthaus gehen, in dem die Abwaschhilfe ein Einheitsgericht für alle kocht? Niemand.

In New York formiert sich Widerstand: Gastrokritiker geben bei Lokalbewertungen einen Dezibelwert an. Eine App misst die Lärmpegel in Echtzeit. Und wie wäre es mit einem Guide, der nur musikfreie Gaststätten aufnimmt? Für diese Idee sollten wir trommeln. Und zwar laut.

karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2021)

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