Nur wenigen Journalisten ist es bisher gelungen, in das polnische Grenzgebiet zu Belarus vorzudringen. Eine erste Reportage über Not und Leid jener Menschen, die, angelockt von Alexander Lukaschenko, in den Westen aufgebrochen sind. Über Kälte, Tod und Hoffnung sowie das Hin- und Herschieben von Gestrandeten.
Curmi Abu kann nicht mehr gehen. Die alte Frau sitzt auf einer vom Regen durchweichten Plane im Wald unweit des Ortes Narewka außerhalb der von der polnischen Armee abgeriegelten Sperrzone an der Grenze zu Belarus. Zwei ihrer sieben Enkelkinder schmiegen sich an die Großmutter. Körper an Körper suchen sie in ihren nassen Jacken die Wärme des anderen. Ihr Atem bildet Dampfwolken in der nassen Novemberkälte. Curmis vier Monate alte Enkelin sitzt neben der Großmutter auf dem Schoß der Mutter. Das Baby schaut aus tiefen Augenhöhlen auf die absurde Szenerie um es herum. Da ist die kurdische Familie aus dem nordirakischen Dohuk, schmutzig, nass und frierend auf dem Boden des polnischen Waldes. Und da ist eine Traube von Kamerateams aus Japan, Nordamerika und europäischen Ländern, die ihre grellen, blitzenden Apparate auf die vor ihnen zitternden Menschen auf dem mit Laub bedeckten Waldboden richten.