Leitartikel

Die Republik der Schattenkanzler

Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Bundespräsident Alexander Van der Bellen (c) imago images/SNA (Stringer via www.imago-images.de)
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Bundespräsident Alexander Van der Bellen fordert unpopuläre Maßnahmen gegen die Pandemie, Klarheit und keinen Streit. All das gibt es bei den wichtigsten Parteien nicht mehr.

Die Lage muss ernst und hoffnungslos sein, wenn sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen öffentlich an Bundesregierung und Landeshauptleute wendet und nicht wie sonst zum einigermaßen vertraulichen Telefon greift. Also sprach der überparteiliche Grünen-Präsident: „Die Pandemielage in Österreich ist ernst. Sehr ernst.“ Er verrät auch eine vermeintliche Neuigkeit für Österreichs Politik: „Es ist die ureigenste Aufgabe von Entscheidungsträgerinnen und -trägern, das Richtige zu tun, auch wenn es vermeintlich unpopulär erscheint.“ Und: „Österreich braucht jetzt Klarheit. Österreich braucht eine gemeinsame Vorgangsweise, keinen Streit und keine neuen Gräben.“

Bei allem Respekt, Herr Bundespräsident, das ist ein frommer Wunsch: Noch selten zuvor haben sich Regierungsfraktionen und Oppositionsparteien so lustvoll und aggressiv ineinander verbissen und einander bekämpft. Vor allem aber herrscht dieser Tage keine Klarheit in der Politik, sondern ein diffuses Führungsvakuum, das vor allem die beiden größeren Parteien betrifft. Vermutlich noch nie zuvor gab es derart viele Schattenkanzler. In der SPÖ muss Pamela Rendi-Wagner sogar zwei fürchten, statt sich um ihr Spezialgebiet, die Pandemie-Bekämpfung, kümmern zu können. Im Vordergrund zieht Wiens Bürgermeister, Michael Ludwig, die roten Fäden, egal ob parteiinterne Entscheidungen oder die strengste Covid-19-Politik des Landes: Ludwig regiert aus dem Rathaus. Im Hintergrund, also in Eisenstadt, bastelt Hans Peter Doskozil an einer bunten Koalition eines rechten Parteiflügels, alten Opfern der Wiener SPÖ und ihres Altkanzlers Werner Faymann. So lässt sich keine Oppositionspartei führen.

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