Wort der Woche

Elfenbein

Vorbereitungen für die Vernichtung von beschlagnahmten  Elfenbein in Nairobi/Kenia
Vorbereitungen für die Vernichtung von beschlagnahmten Elfenbein in Nairobi/Kenia (c) imago/Xinhua (imago stock&people)
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Die Geschichte der Nutzung von Elfenbein erzählt von großer Faszination und gleichzeitig rücksichtsloser Ausbeutung.

Dass die frühe Geschichte des Menschen als „Steinzeit“ bezeichnet wird, ist irreführend. Denn auch andere Materialien spielten eine wichtige Rolle. Das belegen fast 40.000 Jahre alte Funde von Venus- und Tierfiguren, Perlen und Flöten aus Elfenbein. Die aus dem Oberkiefer von Mammuts und Elefanten herauswachsenden Stoßzähne bestehen aus Mineralien und einer knorpelähnlichen organischen Masse. Dadurch ist Elfenbein weich und elastisch, hat eine seidige Struktur und eignet sich hervorragend für filigrane Schnitzarbeiten. Gleichzeitig steht es für den „Sieg“ des Menschen über die Wildheit, es war und ist ein Statussymbol.

Die ältesten Funde stammen just aus jener Zeit, als der Homo sapiens nach Europa einwanderte und sukzessive die Neandertaler verdrängte. Letztere jagten zwar auch Mammuts, sie aßen aber vorwiegend deren Fleisch und verwendeten das Elfenbein nur in Ausnahmefällen, etwa für Werkzeuge. Der Homo sapiens hingegen nutzte das Mammut viel stärker auch als Werkstoffquelle – dies (und die damit verbundene Kunstfertigkeit) wird als eine der wichtigsten technologischen Neuerungen des modernen Menschen angesehen.

So wird es zumindest in der Ausstellung „schrecklich schön“ dargestellt, die zur Eröffnung des Humboldt Forums (im Neubau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Berliner Schlosses) gezeigt wird; wer nicht reisen kann oder will, dem sei der Katalog (200 S., Hirmer, 30,80 €) wärmstens empfohlen. Thematisiert werden darin die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Elefant, Elfenbein und Mensch – Beziehungen, die von großer Faszination, aber auch von rücksichtsloser Ausbeutung zeugen.

Unsere Vorfahren haben durch ihren Hunger nach Elfenbein zum Aussterben des Mammuts beigetragen. Die Lücke wurde durch (importiertes) Elfenbein von Elefanten gefüllt. Und die Geschichte scheint sich zu wiederholen: Während Elfenbein in der Antike und im Mittelalter ein knappes Luxusmaterial (für religiöse Kunst, Schmuck etc.) war, explodierten Angebot und Nachfrage im Zeitalter des Kolonialismus – gleichzeitig mit der Globalisierung des Sklavenhandels. Viele Gebrauchsgegenstände wie Besteckgriffe, Knöpfe, Kämme, Billardkugeln oder Klaviaturen wurden aus Elfenbein gefertigt.

Jährlich wurden bis zu 850 Tonnen Elfenbein von Afrika nach Europa und Nordamerika verschifft. Man schätzt, dass der Elfenbeinrausch im 19. Jahrhundert gut 20 Mio. Elefanten das Leben kostete. Dieser Raubbau ist trotz Verboten und adäquaten Ersatzstoffen noch nicht zu Ende.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com
www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2021)

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