Morgenglosse

Nun sag, wie hast du's mit der Solidarität?

Österreich war zu dieser Zeit vor einem Jahr im Lockdown. Wie wird jener nur für Ungeimpfte, wie ihn die Regierung am Sonntag verkündet hat, funktionieren?
Österreich war zu dieser Zeit vor einem Jahr im Lockdown. Wie wird jener nur für Ungeimpfte, wie ihn die Regierung am Sonntag verkündet hat, funktionieren? (c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)
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Die Regierung hat endlich die Notbremse gezogen und bundesweit einheitliche Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus beschlossen. Wie diese umgesetzt werden, liegt aber nicht allein an der Bevölkerung.

Endlich haben sie sich zusammengerauft. Die Situation musste eskalieren, bis es statt Herumdrucksen und Zuwarten klare Ansagen gab: Ab heute gibt es einen Lockdown für alle Ungeimpften in Österreich. Dafür bedurfte es erst warnender Worte des Bundespräsidenten, man solle sich rasch um eine klare und nachvollziehbare Kommunikation bemühen. Bemerkenswert dabei: Er wandte sich damit in aller Öffentlichkeit an die Entscheidungsträger und nicht hinter verschlossenen Türen.

So handhabte man zuletzt auch die vielen Unstimmigkeiten, die es in Bezug auf Maßnahmenverordnung und Krisenmanagement gab. Innerhalb der Regierung, unter Parteikollegen, naturgemäß seitens der Opposition. Der eine verlangt, der andere lehnt ab, jenes Bundesland will das, das andere will sich nicht beugen. Ein Gesundheitsminister, dem es nicht gelingen mag, sich gegen mächtige Landesfürsten durchzusetzen; mächtige Landesfürsten, die damit wiederum den Gesundheitsminister bloßstellen; Pressekonferenzen, in denen Widersprüchliches verlautbart wird. Das Ergebnis ist ein Fleckerlteppich an unterschiedlichen Regeln und eine verwirrte Bevölkerung, deren Unsicherheit dadurch nicht geringer wird - wohl aber deren Vertrauen in die Politik.

Diese Pandemie besiegen wir nur gemeinsam und indem wir an einem Strang ziehen. Wenn von uns fortwährend Solidarität eingefordert wird, dann fordern auch wir, dass man uns ein konstruktives Miteinander und Solidarität vorlebt. Faktenbasiertes Handeln statt politischen Kalküls, gewissenhafte Führungskräfte statt Fähnchen im Wind. Klare Entscheidungen, auch wenn sie unpopulär sind. Und zwar rechtzeitig.

So ist es um die Solidarität von der Regierungsspitze abwärts nicht gut bestellt. Es ist zugegebenermaßen auch wirklich schwierig, sie aufzubringen: Ungeimpfte, die jetzt in den Lockdown müssen, wollen sie ja auch. Obwohl sie lange Zeit hatten, selbst Solidarität zu zeigen - vor allem mit dem Gesundheitspersonal, das nach 20 Monaten Pandemie am Ende seiner Kräfte ist. Indem sie vom einzigen Mittel Gebrauch machen, das derzeit wirklich hilft. Die aber stattdessen ein ganzes Land in Geiselhaft halten, das davor bangt, früher oder später ohnehin ganz in den Lockdown geschickt zu werden. Wo dann auch wieder Solidarität aufgebracht werden muss. Eine erzwungene, vielerorts heuchlerische, mittlerweile durchaus negativ angehauchte ... mutierte ... Solidarität.

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