Zehn Monate nach der Erdbebenkatastrophe gleicht Port-au-Prince immer noch einer monströsen Schutthalde. Bis jetzt konnte ein Ausbruch der Cholera in der Hauptstadt verhindert werden.
Schutthalden, eingestürzte Häuser, zerrissener Asphalt - und dazwischen Menschen, die mitten in diesem Chaos gegen Hunger und Krankenheiten ankämpfen. "Da hat sich überhaupt nichts verändert", wunderte sich Lutz Hahn, Mitarbeiter der christlichen Hilfsorganisation World-Vision. Er war im Jänner dieses Jahres unmittelbar nach der Erdbebenkatastrophe in Haiti, nun kam er erneut von einer Reise aus dem Karibik-Staat zurück.
313 Tote hat die Cholera bisher in Haiti gefordert, rund 4800 Ansteckungen wurden gemeldet. "Wir können mittlerweile schon von einer Epidemie sprechen. Das Ansteckungsrisiko ist enorm", berichtete Hahn in Wien. Erschwerend hinzu kommt: "Niemand weiß, wie lange sie noch dauert."
Es fehle einfach am nötigen Bewusstsein, um so eine Epidemie zu verhindern. Und es fehle auch an Hygieneartikeln, Antibiotika und Wasserreinigungstabletten. "Wir sind von Zelt zu Zelt gegangen, haben Seifen verteilt und den Leuten erklärt, wie wichtig es ist, sich regelmäßig die Hände zu waschen, sauberes Wasser zu trinken oder keine verunreinigte Nahrung zu sich zu nehmen."
Dabei war in den vergangenen Monaten fast so etwas wie Alltag eingekehrt. "Die Menschen haben sich schnell an die neue Situation gewöhnt. Das ist ganz typisch für Haiti. Sie haben auf den Trümmern ihre Marktstände errichtet - sind aber nicht auf die Idee gekommen, den Schutt wegzuräumen", sagt Hahn. Aus den vielen Camps sei die Trauer und die Resignation gewichen: "Die Menschen leben wieder, sie haben die Zeltstädte als ihr neues Zuhause akzeptiert."
Der Schulunterricht wird unter freiem Himmel abgehalten, es entstehen sogar schon neue Häuser. "Es sind zwar nur Einraumhütten, aber sie sind gerade in der Regenzeit sehr wichtig, weil durch die Camps dann das Wasser schießt, alles verdreckt und wiederum zu Krankheiten führt", so Hahn.
"Wohnung und Cash, das ist, was die Leute in Port-au-Prince wollen, wenn man mit ihnen spricht. Man darf nicht vergessen: Haiti war schon lange vor dem Erdbeben arm und hat im Grunde nicht funktioniert", sagt auch Ton van Zutphen, Katastrophen-Einsatzleiter von World-Vision in Haiti. 80 bis 90 Prozent der Hilfe, aber auch des kommunalen Services käme von NGOs. Die haitianische Regierung wolle er nicht kritisieren, doch ohne die internationalen Organisationen wäre das Land verloren.
Der humanitäre Einsatz in Haiti sei jedenfalls noch lange nicht vorbei, mahnte van Zutphen. Und Hahn ergänzte: "In Port-au-Prince konnte der Ausbruch von Cholera bis jetzt verhindert werden - aber das kann sich Stunde für Stunde ändern."
(APA)