Geldpolitik

EZB-Chefin: Abkehr von Politik billigen Geldes würde Wirtschaft schaden

APA/AFP/DANIEL ROLAND
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Aufgrund Lieferengpässe und hohen Energiepreisen könnte die Inflation länger auf einem hohen Niveau bleiben. EZB-Chefin Lagarde erwartet mittelfristig weiterhin eine Teuerung unter zwei Prozent.

Trotz rasant steigender Preise hat EZB-Chefin Christine Lagarde Forderungen nach einer strafferen Geldpolitik zurückgewiesen. Bei einer Anhörung im Europaparlament räumte sie am Montag zwar ein, dass der kräftige Inflationsschub länger anhalten dürfte als ursprünglich gedacht. Doch sei derzeit keine Abkehr von der Politik des billigen Geldes angezeigt: "Falls wir jetzt Straffungsmaßnahmen einleiten sollten, würde das wesentlich mehr Schaden anrichten als Gutes bewirken."

Selbst eine Straffung auf kurze Sicht anzudeuten, würde der Wirtschaft im Euroraum schaden. Diese sei auf dem Weg der Besserung und könne gegen Jahresende ihr Vorkrisenniveau übertreffen.

Lagarde bekräftigte erneut, 2022 sei eine Zinserhöhung sehr unwahrscheinlich. Auf eine Spekulation über den Leitzins im Jahr 2023 wolle sie sich aber nicht einlassen. Die Teuerungsrate im Euroraum lag im Oktober mit 4,1 Prozent so hoch wie seit über 13 Jahren nicht mehr. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sieht die Geldpolitik vor diesem Hintergrund gefordert gegenzusteuern: "Und das eher früher als später," sagte er auf der Euro Finance Week in Frankfurt. "Das vermeintliche Allheilmittel der vergangenen Jahre - niedrige Zinsen bei scheinbar stabilen Preisen - hat seine Wirkung verloren, jetzt kämpfen wir mit den Nebenwirkungen."

Den Leitzins hält die EZB seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Der sogenannte Einlagesatz liegt seit September 2019 bei minus 0,5 Prozent. Die Geldhäuser müssen draufzahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parken. Die Finanzaufsicht BaFin sieht laut Behördenchef Mark Branson in den Dauertiefzinsen eines der größten Risiken für die Branche: "Bleiben die Zinsen weiter so niedrig, beschädigen sie mehr und mehr das Geschäftsmodell von Banken oder Lebensversicherungen, die auf Zinstransformationen angewiesen sind."

Inflationsdruck bleibt hoch

Laut dem spanischen Notenbankchef Pablo Hernandez de Cos wird es aber auch in der zweiten Jahreshälfte 2022 die am Geldmarkt erwartete Zinswende wahrscheinlich noch nicht geben. Die von der EZB dafür festgelegten Bedingungen würden bis dahin nicht erfüllt sein. Die EZB hat die rekordtiefen Zinsen in dem im Sommer aktualisierten Ausblick praktisch auf lange Zeit festgeschrieben und Investoren damit eine Orientierung gegeben.

Lagardes Stellvertreter Luis de Guindos betonte, auf kurze Sicht blieben Lieferengpässe und steigende Energiekosten die Hauptgefahren für Wirtschaftserholung und Inflationsausblick. Die derzeitige Phase erhöhter Inflation könne sich länger hinziehen als noch vor einigen Monaten angenommen. Diese Sicht spiegle sich auch in den Prognosen der EU-Kommission wider.

Der Inflationsdruck in der Eurozone wird nach Vorhersage der Brüsseler Behörde vorerst hoch bleiben. Sie erwartet für 2021 eine Preissteigerung von 2,4 Prozent. Diese liegt über dem Ziel der EZB, die einen Wert von 2,0 Prozent als ideal für die Konjunktur anstrebt. Auch 2022 dürfte die Rate laut der EU-Kommission mit dann 2,2 Prozent noch darüber liegen. Erst für 2023 wird in Brüssel mit 1,4 Prozent Entwarnung signalisiert.

Im September hatten die EZB-Volkswirte in ihren Projektionen für 2022 eine Teuerungsrate von 1,7 Prozent veranschlagt, die 2023 auf 1,5 Prozent absinken soll. Zur nächsten Zinssitzung Mitte Dezember legt die EZB aktualisierte Projektionen vor, die auch das Jahr 2024 umfassen werden.

(APA)

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