Triage

Österreichs Intensivstationen droht Überlastung

In Salzburg muss bereits ein Expertenteam über die Triage beraten.
In Salzburg muss bereits ein Expertenteam über die Triage beraten.imago images/Hans Lucas
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In Oberösterreich und Salzburg spitzt sich die Lage auf den Intensivstationen zu. In einer Woche ist laut Prognosen österreichweit die Überlastungsgrenze erreicht. Die Anzahl der Corona-Patienten könnte auf bis zu 900 ansteigen.

Österreichs Intensivstationen ächzen unter der steigenden Anzahl an Covid-Patienten. Die Zahl der Menschen, die aufgrund einer Coronainfektion intensivmedizinische Betreuung braucht, steigt kontinuierlich an. Seit dem Sommer ist ein ständiger Aufwärtstrend zu beobachten, der sich in den letzten Wochen zugespitzt hat. In der vergangenen Woche ist die Zahl der belegten Intensivbetten nicht mehr unter 400 abgesunken. Eine ähnlich hohe Auslastung der Intensivstationen gab es zuletzt während des Oster-Lockdowns im vergangenen Frühjahr.

900 Intensivpatienten erwartet

Momentan sind laut Daten der Ages 22 Prozent der Itensivbetten mit Corona-Patienten belegt. Die Auslastungsgrenze der Intensivbetten liegt bei 33 Prozent. Wenn das Infektionsgeschehen in Österreich im aktuellen Tempo weitergeht, wird dieses Pensum bereits am 24. November erreicht sein, so das Covid-19-Prognose-Konsortium. Die Experten rechnen im schlimmsten Fall damit, dass in einer Woche rund 900 Covid-Patienten auf Intensivstationen liegen könnten.

Walter Hasibeder, Präsident der Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin bezeichnet die Lage auf den Intensivstationen einzelner Bundesländer als „sehr, sehr angespannt“ und „besonders schlimm“. Er fordert für die Hochinzidenz-Länder Oberösterreich und Salzburg kurzzeitig einen „generellen Lockdown“, um die „Dekompensation“ zu verhindern. Der derzeitige Lockdown für Ungeimpfte sei „als Maßnahme alleine zu spät“. Auch der Vorsitzende der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft Reinhard Waldhör bezeichnet die aktuelle Lage als „wild“. Auch die normalen Stationen seien mit leichten Fällen „randvoll und es fehlt an Personal“.

Am wenigsten Gefahr für ein Überschreiten der Auslastungsgrenze besteht laut Berechnungen noch in Kärnten und Wien. Am wahrscheinlichsten ist eine Überlastung der Intensivstationen dahingegen in Oberösterreich, wo auch die Sieben-Tages-Inzidenz am höchsten ist. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es in rund einer Woche zum System-Kollaps kommt, laut Prognose bei 95 Prozent. Aber auch in Salzburg ist die Lage prekär.

Sorgenkind Salzburg

Den Salzburger Landesklinken droht aktuell die völlige Überlastung; die Geschäftsführung wandte sich bereits mit einer „Überlastungsanzeige“ an die Politik. Aufgrund der derzeitigen Lage sei zu befürchten, dass die gesetzliche Verpflichtung, „Patienten nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft ärztlich zu behandeln, trotz aller gesetzten Maßnahmen nicht mehr durchgängig und vollinhaltlich erfüllt werden kann“, schreibt der Geschäftsführer der Salzburger Landeskliniken in der Anzeige.

Ein Salzburger Spitalsarzt schildert die Lage gegenüber den Salzburger Nachrichten: „Es herrscht jeden Tag ein menschenunwürdiger Streit, welcher Patient zuerst operiert werden könne. Der mit dem Tumor oder der mit dem kaputten Herz.“ Eine intensivmedizinische Triagierung wird also bereits vorgenommen und könnte sich in den nächsten Tagen noch intensivieren.

Als Sofortmaßnahme wurde ein sechsköpfiges Triageteam aus Experten verschiedener Fachrichtungen zusammengestellt. Die medizinischen und juristischen Fachleute müssen gemeinsam entscheiden, welche Patienten weiter behandelt werden. Als weitere Maßnhame mussten in Salzburg bereits Reha-Kliniken geschlossen und mit Krankenhauspatienten belegt werden, die nicht an Corona erkrankt sind.

„Keine Luft nach oben“ 

Die Presse

Obwohl die Lage in den anderen Bundesländern noch etwas entspannter ist, gibt es auch hier Grund zur Sorge. Johannes Schwamberger, Sprecher der Tirol Kliniken, beschreibt die Situation gegenüber der „Presse“ folgendermaßen: „Wir sind nicht überbelastet, aber es gibt auch keine Luft nach oben.“ Im Winter gäbe es immer eine stärkere Auslastung der Intensivstationen, die zusätzlichen Corona-Patienten würden die Lage aber deutlich verschlimmern. „Man kann nicht sagen, wir sind voll wegen Corona aber natürlich sind das 22 zusätzliche Patienten, die vermeidbar gewesen wären.“, so Schwamberger.In Wien ist die Situation momentan ähnlich. Aktuell sind 83 Intensivbetten mit Corona oder Post-Covid-Patienten belegt. Elena Reghenzani vom Wiener Gesundheitsverbund beschreibt die Lage als „angespannt, aber es gibt noch genügend Kapazitäten.“ Sie vergleicht die Auslastung in Wiens Spitälern mit der vorherigen Welle. Aktuell sei die Situation stabil, nicht zuletzt auch aufgrund der engen Zusammenarbeit der Kliniken. „Wir können alle Patienten, die aufgrund von Covid-19 eine Intensivbehandlung benötigen, auch behandeln.“, sagt Reghenzani im Gespräch mit der „Presse".

Im Burgenland ist die Lage im Vergleich zur vorherigen Welle vorerst noch entspannter. Im Vergleich zum Frühjahr liegen deutlich weniger Corona-Patienten auf den Intensivstationen, erklärt Leo Szemeliker von der Burgenländischen Krankenanstalten-Ges.m.b.H.. Er vermutet gegenüber der „Presse“ die hohe Durchimpfungsrate im Bundesland als Grund für die niedrige Hospitalisierung. „Geimpfte Personen werden tendenzieller später oder gar nicht intensivpflichtig. Auch die Verweildauer für geimpfte Personen ist kürzer als noch im Frühjahr“, meint Szemeliker.

Obwohl im Burgenland mitunter noch die meisten Betten frei sind, wird die Intensivstation im Krankenhaus Kittsee nun trotzdem präventiv in eine Corona-Station umgewandelt. So soll das Spital in Oberwart Covid-frei gehalten werden – solange das noch möglich ist.

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