Student Housing

Viele Studenten, wenige Wohnungen

(C) IC Group
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Eine hohe Nachfrage und geringes Angebot bestimmen den deutschen Markt. Investoren setzen auf Micro-Living und private Studentenwohnheime.

Im ersten Halbjahr 2021 hat sich das Transaktionsvolumen auf dem deutschen Investmentmarkt für Studentenwohnheime und Mikroapartments mit 738 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr mehr als vervierfacht. „Das liegt unter anderem daran, dass Deutschland als Studienstandort sowohl fachlich als auch preislich sehr beliebt ist“, sagt Jirka Stachen, Director Research bei CBRE. Besonders Anbieter von privaten Studentenheimen würden davon profitieren.

Am Ende der Nahrungskette

Studierende haben es auf dem deutschen Wohnungsmarkt generell schwer: „Sie sind bei Vermietern wegen ihres geringen Einkommens weniger beliebt als etwa Young Professionals und sie konkurrierten mit diesen um bezahlbaren, knappen Wohnraum“, sagt Anja Bachmann, Head of Development bei Smartments Student, einer Marke der GBI-Unternehmensgruppe. Diese betreibt 22 Studentenwohnheime mit 3879 Apartments in Deutschland und Österreich. Ähnlich äußert sich Rainer Nonnengässer, Executive Chairman der International Campus Group, die mit ihrer Marke The Fizz auf dem Markt aktiv ist. „Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage für Studierende in Metropolen und gefragten Universitätsstädten geht in Deutschland, aber nicht nur dort, immer weiter auseinander. Hierzulande existieren für schätzungsweise drei Millionen Studenten nur etwa 260.000 private und öffentliche oder gemeinnützige Betten“, weiß der Experte.

Deutschlands Problem: eine immer höhere Studentenquote und der diesjährige coronabedingte Doppeljahrgang. Somit drängten dieses Wintersemester geschätzt über 600.000 Erstsemestrige auf den Wohnungsmarkt. Kombiniert mit den Mietsteigerungen der letzten Jahre verursache dies eine „chaotische Situation“ und unterstreiche aus Investorensicht die „fast unendliche Attraktivität dieses Segments“, fasst Nonnengässer zusammen.

Ungeschlagene Studentenlieblinge sind deutsche Großstädte wie Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt. Aber auch Universitätsstandorte wie Freiburg, Tübingen, Mainz oder Paderborn sind weiterhin beliebt. „Doch gerade Erstere sind teuer und zudem auch bei Young Professionals gefragt“, betont Alexander Lackner, Geschäftsführer des Immobilieninvestors Neworld. Und es geht nicht nur um Geld: Die Beliebtheit der deutschen Großstädte habe mit deren Lifestyle-Angebot und Dichte an potenziellen Arbeitgebern zu tun, sagt Lackner.

Noch viel Potenzial

Investoren bedienen sich bei der Standortsuche verschiedenster Mittel. 21st Real Estate etwa nutzt künstliche Intelligenz, um mit Tausenden Indikatoren die passende Lage zu ermitteln. Amar Eskef, Head of Data Science bei 21st Real Estate, betont gleichzeitig, dass es keine gute oder schlechte Lage gebe – es komme auf die Präferenzen der Zielgruppe an. Für Studenten seien diese die Nahversorgung und das Freizeitangebot. GBI arbeitet mit dem Moses-Mendelssohn-Institut zusammen, das jedes Jahr ein Hochschulstädte-Scoring veröffentlicht.

Eine Milliarde Euro will International Campus, ein Anbieter für studentisches Wohnen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden mit Hauptinvestor Brookfield, in den nächsten drei Jahren in seinen Kernmärkten investieren. 5200 Wohneinheiten bestehen schon, 600 neue sind in der Entwicklung. Die Belegungsquote von Smartments Student lag laut Bachmann vor Corona bei über 95 Prozent. Und sie ging selbst während der Pandemie nur auf etwa 80 Prozent zurück. „Solche Quoten erreicht man in keiner anderen Assetklasse“, sagt sie.

Mehr Gemeinschaft

Gleichzeitig ändern sich die Ansprüche: Traditionelle Studentenwohnheime mit Mehrbettzimmern und geteilten Küchen und Bädern seien auf dem Rückzug, berichten die Experten, dafür würden Mikrowohnungen mit kleiner Pantry-Küche und eigenem Bad stärker nachgefragt. Hinzu komme der Wunsch nach sozialem Austausch. The Base Berlin One, zu dessen Investoren Neworld zählt und das 2022 eröffnet, bietet etwa neben 320 Einheiten Gemeinschaftsflächen wie Fitnessräume, Coworking-Spaces und eine Rooftop-Bar. In München soll ein ähnliches Projekt entstehen.

Bei Smartments Student werden für die Bewohner die verschiedensten Aktivitäten organisiert, dazu gibt es eigene Lernräume. Um das Ganze bezahlbar zu machen, arbeitet Smartments teilweise mit öffentlichen Förderprogrammen zusammen. „Diese sind in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sehr gut ausgebaut und erlauben Monatsmieten inklusive Nebenkosten von 350 Euro. Andere Bundesländer lassen hier aber noch zu wünschen übrig“, sagt Bachmann.

AUF EINEN BLICK

Laut CBRE Deutschland erreichte der deutsche Investmentmarkt für Studentenwohnheime und Mikroapartments im ersten Halbjahr 2021 ein Transaktionsvolumen von 738 Mio. Euro. Damit wurde bereits zur Jahresmitte das Volumen des gesamten Vorjahres übertroffen (637 Millionen Euro).

Am aktivsten waren die Investoren in München (210 Mio. Euro), Berlin (148 Mio.) und Frankfurt am Main (86 Millionen Euro). Getrieben wurde der Markt unter anderem von internationalen Investoren, die ihren Marktanteil auf 44 Prozent ausbauten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2021)

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