Die Zahl jener, die sich rückblickend noch nie für ein Bild oder eine Wortmeldung im Internet geschämt haben, ist gering. Wird man einen Fauxpas im Netz tatsächlich nie wieder los?
„Das Internet vergisst nie.“ Während junge Menschen bei diesem Satz gerne einmal die Augen rollen, werden Datenschutzbeauftragte und Eltern nicht müde, ihn zu predigen. Einst ging es dabei um Partyfotos aus der Jugend, die beim potenziellen künftigen Vorgesetzten auf Unmut stoßen könnten. Mittlerweile hat der Satz eine viel größere Tragweite. Stichwort: Shitstorms. Man denke etwa an den Fall der deutschen Bundessprecherin der Grünen Jugend Sarah-Lee Heinrich. Kurz nach ihrer Wahl holten die 20-Jährige Tweets aus ihrer Vergangenheit ein, die sie selbst vor sieben Jahren - also im Alter von 13 Jahren - verfasst hat.
Die Tweets der damals 13-Jährigen waren beleidigend und homophob. Heute, so die Bundessprecherin, würde sie diese oder ähnliche Meldungen nicht mehr verfassen. Trotz ihres Statements verbreiteten sich die alten Beiträge wie ein Lauffeuer im Netz. Den Tweet einfach zu löschen geht in Fällen wie diesen ins Leere. Selbst, wenn soziale Netzwerke versichern, gelöschte Inhalte dauerhaft von allen Servern zu nehmen. Laut Datenschutzverordnung (DSGVO) darf es nach einer Löschung technisch nicht möglich sein, diese wiederherzustellen. „Wird der Inhalt mittels Share-Funktion geteilt, führt das geteilte Posting zu einem sogenannten ,broken Link', der ursprüngliche Inhalt ist damit auf diesem Weg nicht mehr auffindbar. Wurden allerdings Screenshots vom ursprünglichen Inhalt gemacht, stößt man technisch wie faktisch schnell an Grenzen“, sagt Datenschutzanwältin Katharina Bisset.
Wirrwarr im Rechtswesen
Mittels Unterlassungsforderung sind Personen dazu angehalten, das Verbreiten eines bestimmten Inhalts im Internet zu unterlassen. „Allerdings geht es bei Screenshots dann auch immer um die Frage, warum wurde dieser gemacht. Und weiters wie wurde er kommentiert“, so Bisset. Es gilt demnach zu klären, ob der Inhalt von öffentlichem Interesse oder urheberrechtlich geschützt ist. Gewöhnliche Statusmeldungen auf sozialen Netzwerken seien letzteres in der Regel nicht, sagt Bisset, und würden somit keinen Bestandteil des Urheberrechts bilden, können aber gegen andere Rechte, wie beispielsweise den Datenschutz, verstoßen.
»„Das einzige, was wirklich hilft, ist vorauszudenken.“ «
Auch datenschutzrechtlich ist aber nicht immer etwas zu machen. „Was die DSGVO betrifft, so gilt, wenn kein Unternehmen involviert ist, die Haushaltsausnahme“, so Bisset. Diese betrifft Inhalte, die von einer privaten Person veröffentlicht und von einer weiteren privaten Person geteilt wurde - und falle damit nicht immer unter die Datenschutzgrundverordnung. Wie der geteilte Inhalt kommentiert wurde, kann ebenfalls Gegenstand einer Unterlassungsaufforderung sein, etwa im Falle einer Beleidigung oder üblen Nachrede. „Da befinden wir uns dann im zivil- oder strafrechtlichen Bereich“, sagt Bisset. Die Grenzen sind allerdings fließend: „Es muss in jedem einzelnen Fall die Meinungsfreiheit gegenüber etwaigen Beleidigungen abgewogen werden.“ Und auch wenn Hass nicht als Meinung gilt, so ist die Grenzziehung in den meisten Fällen kompliziert.
Privat versus öffentlich
Personen in der Öffentlichkeit genießen generell weniger Schutz: „Hier wiegt das öffentliche Interesse oft stärker als die Privatsphäre der einzelnen Person“, sagt Bisset. Außerdem greife das Recht auf Datenschutz weniger, wenn es sich um selbst gepostete Inhalte handelt. „Postet jemand ein Foto von einer anderen Person beim Party machen, ist das leichter anzufechten, als ein geteilter Beitrag des eigens geposteten Inhalts - auch wenn dieser bereits gelöscht wurde“, so die Rechtsanwältin. Selbst ein privater Account hilft hierbei nur mäßig. „Auch dies ist wieder Auslegungssache. In der Argumentation für eine Unterlassungsaufforderung kann ein privater Account durchaus helfen, allerdings zählt etwa ein privater Instagram-Account mit über 500 Followern im Rechtswesen oft schon als Öffentlichkeit“, das Argument wäre damit nichtig, so Bisset.
Hinzu kommt, dass einzelne Nutzerinnen und Nutzer bereits beim Hochladen eines Inhalts - je nach Plattform - erhebliche Rechte dessen an die Social-Media-Plattformen selbst abtreten. Im Falle des Ablebens eines Nutzers oder einer Nutzerin ist dies gesondert zu betrachten, da Datenschutzrechte nur für Lebende gelten. Accounts und deren Inhalt seien auch oft nicht vom Erbschaftsrecht gedeckt. „Darüber wird wirklich oft herzlich gestritten“, sagt Bisset. Mittlerweile bieten einzelne Plattformen jedoch bereits die Angabe einer Person an, die im Todesfall die Rechte am Social-Media-Profil bekommt.
„30 Mal überlegen“
Es gebe viele Möglichkeiten gegen einen Post vorzugehen, eine hundertprozentige Erfolgschance habe keine davon. Wichtig sei sich zu überlegen, auf welcher Grundlage man die Löschung verlangt, so Bisset. Ein absolutes Gesetz gebe es nicht. Die erste Herausforderung sei sowieso, die Screenshots erst einmal zu finden und - im Falle eines Shitstorms - das Ausmaß zu erfassen.
Auch wenn das „Hass im Netz“-Gesetzespaket bereits ein erster Schritt in die richtige Richtung ist und Social-Media Plattformen immer mehr Funktionen zum Schutz von Userinnen und User einrichten, kann noch ordentlich nachgefeilt werden, wie etwa der erst kürzlich veröffentlichte Misogynie-Report zeigt. „Das einzige, was wirklich hilft, ist vorauszudenken und lieber 30 Mal zu überlegen,“ so Bissets Rat.
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